15.11.2012 Aufrufe

Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Wie der Hieb des multorischen Säbels - <strong>André</strong> <strong>Wiesler</strong><br />

Herausforderung. Außerdem wären sie beide die einzigen, die Briannes Zunge sprechen könnten. Ja,<br />

er würde es tun. Allerdings war ihm Shamino, dieser Moralapostel, der sich selbst zum Richter der<br />

Unterstadt ernannt hatte, nicht sonderlich sympathisch: „Ich könnte es versuchen, aber wer zahlt mir<br />

den Verlust, den ich in der Zeit mache?“<br />

Shamino schnaubte: „Als wenn einer wie du eine Arbeit hätte. Aber egal, ich zahle dir eine<br />

Bronzesonne das Viertel.“<br />

„Eine Silbersonne!“ Warum nicht dreist sein. Shamino brauchte ihn, immerhin war er der Beste!<br />

„Drei Bronzesonnen!“<br />

„Acht!“<br />

„Fünf! Und Du beginnst sofort!“<br />

„Einverstanden!“ Inigo streckte ihm die Hand hin, aber statt einzuschlagen, zählte Shamino nur die<br />

fünf bronzenen Münzen hinein.<br />

Inigo blickte darauf, zuckte dann einmal mehr die Schultern und zog die beiden Stühle von dem Tisch<br />

weg. Brianne bedeutete er auf dem einen Platz zu nehmen, er selber setzte sich auf den anderen. Er<br />

hob die Hand, zeigte mit dem einen Finger der anderen darauf und sagte: „Hand!“ Brianne nickte, und<br />

wiederholte: „Hand.“<br />

Gut, sie schien zu wissen, worauf er hinauswollte. Wenn man eine neue Sprache lernen wollte, von<br />

der man kein Wort kannte, mußte man erst einen Schatz an Worten ansammeln, bevor man lernen<br />

konnte, wie sie anzuordnen waren. Doch nun mußte er sie dazu bringen, ihm auch ihre Worte zu<br />

verraten. Grübelnd legte er die Hand an die Stirn. Nachdem er ein wenig nachgedacht hatte, fiel ihm<br />

etwas ein. Er hob erneut die Hand und zeigte darauf. Brianne sagte erneut: „Hand!“ Dann zeigte er auf<br />

Brianne und wieder auf die Hand. Die Fremde schien nicht zu verstehen. Erst als er erneut auf<br />

Brianne zeigte, diesmal auf ihren Mund, schien sie zu begreifen. Sie hob ihre eigene Hand und sagte,<br />

darauf zeigend, „D´nahas!“ Na bitte, es ging doch!<br />

���<br />

11 Tage waren vergangen. Inigo war unrasiert, hatte dunkle Ringe unter den Augen. Fast jeden Tag<br />

hatte er mit Brianne gearbeitet, von den frühen Morgenstunden bis in die späte Nacht. Danach hatte er<br />

sich hingesetzt und alle Worte, die er neu gelernt hatte, noch einmal aufgesagt. Da seine Lernmethode<br />

darin bestand nach jedem der Worte es in allen Sprachen zu wiederholen, die er kannte, dauerte dies<br />

meist bis kurz vor Sonnenaufgang. Zu dieser Anstrengung kam noch, daß er keine Minute alleine mit<br />

Brianne war. Immer war Shamino da, eifersüchtig darauf achtend, daß er Brianne nicht zu nah kam.<br />

Dabei wollte er nichts von Brianne, außer ihrer Sprache. Er legte einen fast fanatischen Eifer an den<br />

Tag und auch Brianne machte gute Fortschritte. Sie konnte einfache Sätze mit Worten, die sie kannte,<br />

nun schon bilden.<br />

Shamino kam alleine diesen Morgen, noch vor der normalen Zeit. „Shamino!“, rief Inigo überrascht<br />

aus. Der junge Mann hatte einen entschlossenen Gesichtsausdruck: „Du hast Brianne genug<br />

unterrichtet. Das Viertel ist um und ich muß eingestehen, du hast gute Arbeit geleistet. Aber den Rest<br />

kann ich ihr auch selber beibringen! Dein Unterricht ist beendet!“<br />

Inigo schüttelte ungläubig den Kopf: „Aber jetzt geht es um die Stellung der Worte. Wenn du nicht<br />

willst, daß sie die nächsten Monate damit zubringt einfache Sätze zu stammeln, läßt du mich mit ihr<br />

weiter arbeiten!“<br />

„Nein! Ich habe mein Geld, vielleicht im Gegensatz zu dir, nicht gestohlen.“<br />

Inigo wurde trotzig: „Du kannst sagen, was du willst, ich werde Brianne weiter unterrichten!“<br />

Shamino nahm eine drohende Haltung ein: „Das glaube ich kaum!“ und ging.<br />

Von dem Tumult war Yesihja wach geworden. Süße kleine Yesihja. Deutlich hatte er die letzten Tag<br />

den Vorwurf in ihren Augen gesehen. Sie fühlte sich zurückgesetzt, war vielleicht sogar eifersüchtig.<br />

Wenn er ihr doch nur klarmachen könnte, wie gern auch er sie hatte. Das ging sogar so weit, daß er<br />

keine anderen Frauen mehr beachtete. Nein, daß war falsch. Natürlich beachtete er sie noch,<br />

bewunderte eine schöne Frau, einen geschmeidigen Leib mit der selben Faszination wie ein Künstler<br />

ein Bild. Er wäre nicht länger der Sohn seines Vaters, wenn er es nicht täte. Aber er spürte kein<br />

Verlangen nach ihnen. Hatte ihn früher seine Lust geleitet, zügelte er sie nun, schon seit über einem<br />

Viertel. Und daran war nicht allein die Arbeit mit Brianne Schuld.<br />

Er kniete sich neben das Bett: „Yesihja, es ist alles in Ordnung. Es war nur Shamino, um abzusagen.<br />

Heute gehört der Tag uns beiden!“

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!