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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Totentanz - <strong>André</strong> <strong>Wiesler</strong><br />

Sein Blick wanderte über den dicken Wirt zu dem Tisch, an dem früher immer Kam Tak saß. Nun war<br />

er tot. Richtig so, der Bastard hatte ihm mehr als einmal Ärger gemacht. An einem Nebentisch<br />

erzählte ein alter Jäger Lügengeschichten über die Wesen, die er in den Tunneln gefangen hätte und<br />

an einem anderen Tisch verlor ein Multorier, umgeben von seinen Freunden, gerade ein Wettsaufen<br />

gegen eine Hallakine. Das mußte diese Melirae Todesstreich sein, die mit Yanec d´Ibisco oder so<br />

ähnlich für den Tod des Meuchlerkönigs <strong>Elek</strong>-<strong>Mantow</strong>s verantwortlich war. In der Ecke sah man auch<br />

ihren ständigen Begleiter, dieses verwöhnte Broschakal-Bürschchen.<br />

Keiner achtete auf die beiden Freunde. Corwin zog seinen Dolch, schob ihn unter das Band und<br />

lächelte Kareç an. Dann holte er tief Luft, drehte den Dolch und sprengte damit das Band. Die Beiden<br />

schauten sich an und warteten. Dann stieß Corwin den Atem aus und lächelte wieder. „Siehst Du,<br />

nichts passiert! Also das Nächste!“<br />

Gerade wollte er den Dolch unter das vorletzte Band schieben, da wurde es still um ihn herum. Das<br />

Gegröhle der Multorier verstummte und auch die Stimme des Jägers verlief sich im Nichts. Corwin<br />

blickte erstaunt auf und sagte dann leise, resignierend: „Oh Mist!“<br />

Das sechste Band<br />

Der Atamanai war es gewohnt, daß man ihm aus dem Weg ging. Manchmal aber, wenn die Gier der<br />

Menschen groß genug war, überflügelte sein ungesprochenes Versprechen von Gold die mystisch<br />

große Angst des Ungewissen. So im Fall von Almir, dem Bettler. Der Alte hatte ihm von einem<br />

Kunstwerk erlesener Güte erzählt, das im Besitz des wandelbaren Bergmenschen sei. Heimlich<br />

natürlich, im Schutz der Dunkelheit und sicher, daß keiner sie gesehen hatte. Und natürlich voller<br />

Angst. Keiner begegnete dem Sammler mit etwas anderem als Angst und Mißtrauen.<br />

Es konnte kein Domomai sein. Dessen Anwesenheit hätte er gespürt. Dennoch rief ein Kunstwerk<br />

gleich welcher Art immer sein Interesse heraus.<br />

Also war er auf dem Weg in den Totenkopf, die Schenke der Unteren, Hinterhältigen, der<br />

Niedertracht Anheimgefallenen. Dort trat er ein und wie immer war Stille sein Begleiter. Etwas nach<br />

ihm kam dann das Wispern, das auf ihn Zeigen, das Schlagen der Schutz- und heiligen Symbole. So<br />

auch diesmal. Aber er hatte entdeckt, was er suchte. Der Mann, den sie Kareç nannten und den er<br />

suchte, saß bei Sell am Tisch. Der größte Schwindler der Stadt blickte ihn erschrocken an und war<br />

bleich geworden. Doch in seiner Natur lag die Täuschung und schon jetzt sprang wieder das falsche<br />

Lächeln in sein Gesicht. Lanungo Buzecchia, der Sammler in <strong>Elek</strong>-<strong>Mantow</strong>, ging auf Corwin Dery<br />

alias Sell zu. Als dieser bemerkte, daß er das Ziel des Rotgewandeten war, erhob er sich, legte etwas<br />

neben sich auf den Tisch und kam auf ihn zu. Der Blick des Sammlers glitt an ihm vorbei und fand<br />

den Kasten auf dem Tisch. Corwin eilte hinter ihm her und blieb schnell stehen, als sich Lanungo ihm<br />

wieder zuwandte: „Ihr werdet mir diesen Kasten verkaufen wollen, nehme ich an?“<br />

Corwin blickte auf Kareç, der den Roten unverwandt anstarrte.<br />

„Nun, wenn ihr mir ein gutes Angebot macht, Herr, könnte ich meinen Freund eventuell davon<br />

überzeugen...“<br />

Eine fließende Bewegung des rotbewehrten Armes und auf dem Tisch landete ein klingender Beutel.<br />

„Das wird reichen, Cer Corwin!“<br />

Er nahm die Spieluhr auf und ließ sie, während er zur Tür ging, in seinen Beutel gleiten. Hinter sich<br />

hörte er das erstaune Keuchen, als Corwin den Beutel mit den goldenen Sonnen öffnete.<br />

Draußen umarmte ihn der kalte Hauch des Winters. Nachdem er einige Straßen weit gegangen war,<br />

hielt er unter einer der wenigen Laternen der Unterstadt an. Er würde hier bereits einen Blick auf das<br />

Kunstwerk werfen, um sicher zu sein. Er hob den Kasten vor sein Auge. Es war eine Spieluhr aus<br />

Multor. Man erkannte deutlich die Königspaare der letzten drei Regierungen. Dem ältesten König<br />

fehlte ein Arm. An den Rändern standen multorische Soldaten, in Uniformen der heutigen Zeit, ein<br />

seltsamer Stilbruch. Auch paßte das Material und die einfache Ausführung der Soldaten so gar nicht<br />

zu dem Rest der Uhr. Kratz und Beißspuren waren über die ehemals prunkvolle Oberfläche verteilt.<br />

Nein, leider kein Domomai, sicher nicht. Aber trotzdem ein Stück von erlesener Qualität, wenn auch<br />

von der Zeit und den Umständen getroffen. Es wäre sehr schade, wenn diese Arbeit in die Hände von<br />

Unwissenden geraten sollte, Lanungo würde die Spieluhr in die Botschaft bringen und sie dort<br />

aufbewahren. Welche Melodie sie wohl spielen mag. Es wäre nur angebracht, wenn es das Hohelied<br />

der Könige wäre. Das würde sich herausfinden lassen. Mit einem Ruck des Fingers löste er eines der<br />

Bänder. Als er sich gerade an den zweiten Eisenriemen machen wollte, vernahm er das leise<br />

Knirschen von Reiterstiefeln, die sich anschleichen wollten. Es waren einige, etwa ein Dutzend.

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