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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Diener des Lichtmeß I: Brianne - Janina Enders<br />

Flügel heftig bebten. Die Augen hatte sie jetzt geschlossen, aber nach einer Weile öffnete sie sie<br />

wieder. Kilian hörte sein Herz schlagen.<br />

Ein schwarzblaues Meer tat sich vor ihm auf, in das er eintauchte und sich geschmeidig bewegte.<br />

Lange, dichte, schwarze Wimpern umrandeten die großen Augen, die sich nun langsam verengten.<br />

Die schwarzblauen Spiegel zeigten Kilians erschrockenes Gesicht.<br />

Sie wiederholte ihre Frage eindringlicher. „Ich wollte von euch wissen, welches Lied ihr zu hören<br />

wünscht, ... Herr.“<br />

Kilian wich zurück. Sein Herz schlug lauter...<br />

„Du bist es!“, flüsterte er atemlos. „Dein Haar glüht wie Feuer, deine Augen leuchten wie Sterne... Du<br />

bist die Frau aus der Stadt!“<br />

Die magere Gestalt glitt auf Kilian zu. „Ich komme aus Arietides... und ob meine Augen leuchten,<br />

geht euch einen feuchten Dreck an!“<br />

Kilian starrte sie nur an. Die junge Frau schlug sich die Hand auf den Mund und senkte den Kopf.<br />

„Verzeiht mir, mein Herr. Ich wollte euch nicht beleidigen! Eure Worte sind nur so verwirrend!“<br />

„Verzeiht auch mir, ich wollte euch nicht zu nahe treten!“<br />

Die Respektlosigkeit, mit der er der Frau zuerst entgegen getreten war, erschien ihm auf einmal<br />

unpassend... und etwas gefährlich. „Mein Name ist Kilian... wie ist eurer?“<br />

Zögerlich umfaßte auch die Frau die Stangen. Beide standen sich gegenüber und sahen sich prüfend<br />

an. „Brianne... man nennt mich Brianne.“<br />

Und Brianne erzählte Kilian, was Agathon ihr versprochen hatte: den Frieden.<br />

Den Frieden zwischen Priska und ihrer geliebten Heimat Arietides. Als Gegenleistung hatte Brianne<br />

geschworen für immer, für immer und ewig, bei ihm zu bleiben. Nicht als Gefährtin oder zärtliche<br />

Gespielin, sondern als Sängerin! Als hübsches Vögelchen, das auf Wunsch goldene und silberne Töne<br />

von sich gab.<br />

Brianne wußte nicht warum, aber sie vertraute dem weißhaarigen Mann instinktiv. Die Worte<br />

sprudelten aus ihr heraus und sie war froh, endlich einmal alles von sich abwerfen zu können.<br />

Emeralds grauenvolle Ermordung... die Entführung auf Agathons Festung, die Erniedrigungen...<br />

Schließlich sanken beide an den Stangen herunter und Brianne seufzte laut auf.<br />

„Agathon hat euch was versprochen?“, fragte Kilian.<br />

„Den Frieden zwischen unseren Völkern!“<br />

„Ihr habt das geglaubt?“<br />

Brianne nickte: „Er zeigte mir mit seiner magischen Kraft das Land... überall herrscht<br />

Waffenstillstand, euer Volk zog sich zurück!“<br />

Kilian wollte ihr widersprechen. Es herrschte kein Frieden, wie konnte sie das nur glauben?! Agathon<br />

hatte sie belogen, wie er jeden belog, wenn er etwas haben wollte. „Brianne, ihr müßt-“<br />

In diesem Moment vernahmen die beiden Stimmen, sie blickten auf und sahen, wie Agathon mit<br />

seinen Gästen in die Halle trat. Es waren hauptsächlich angesehene Priskaner, die nun neugierig auf<br />

Brianne und Kilian starrten.<br />

„So, das ist meine Überraschung!“, sagte Agathon laut. Brianne zuckte zusammen und setzte sich auf<br />

das Podest in der Mitte des Käfigs. Kilian eilte zu seinem Vater. „Was habt ihr getan? Findet ihr<br />

nicht, daß das etwas zu weit geht?“ zischte er.<br />

Agathon sah ihn erstaunt an und wandte sich ab. Dreimal klatschte er in die Hände und das<br />

Stimmengewirr verebbte. Mit einer freundlichen Geste trat er auf Brianne zu. „Singe!“<br />

Ohne zu zögern, legte Brianne den Kopf in den Nacken und entlockte ihrer Kehle einen hellen Ton,<br />

der langsam tiefer wurde und ein Lied aus ihrer Heimat einleitete. Sie sang und Tränen flossen. Es<br />

waren wunderschöne Geräusche, die sie von sich gab! Hart und kalt, wie Metall und weich und warm,<br />

wie Samt. Ergriffen standen die Priskaner vor Briannes Gefängnis und faßten sich ans Herz. Agathon<br />

sah sich nach seinem Sohn um, aber Kilian war nicht mehr da. Er wußte, daß es nachher eine hitzige<br />

Diskussion mit Kilian gelten würde. Kilian war ein sturer Dickkopf! Tatsächlich fand die<br />

Auseinandersetzung am Abend statt, aber der Sohn des Fürsten war erstaunlich ruhig und einsichtig.<br />

„Ihr habt recht, Vater. Immerhin ist sie ja nur eine Arietidin, die sich einbildet kämpfen zu können.“<br />

„Die Zeit bei den Kyrinen hat dir gut getan, Sohn. Ich freue mich, ich freue mich!“<br />

Kilian erwiderte Agathons Lächeln... aber nicht mit den Augen Er war schwer enttäuscht von seinem<br />

Vater. Das Dasein, welches er Brianne aufgezwungen hatte, war absolut unwürdig - sie würde<br />

irgendwann sterben vor Kummer! Und auch sein Herz krampfte sich zusammen, wenn er sie in dem

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