15.11.2012 Aufrufe

Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Der Anfang - Peter Thomas Goergen<br />

Da er jemanden erwartete, dessen Aussehen ihm persönlich nicht bekannt war, dem er aber, aufgrund<br />

seiner Erscheinung, eigentlich schon beim Eintreten ins Augen springen müßte, gedachte er solange<br />

hier zu sitzen und seine Knie zu betrachten, bis Nämlicher ihn endlich ansprechen würde.<br />

Indes wurde er schon bald gestört.<br />

Corwin betrat den 'Totenkopf' - recht aufgeregt, denn ihm war eine Nachricht zugespielt worden, die<br />

ihm im Verlaufe dieser Nacht eine gehörig ungewöhnliche Bekanntschaft wohl bescheren sollte - da<br />

sah er einen Teil der Gäste sich um ein Thekenende scharen, und das ohrenflüsternde Grinsen, die<br />

gereckten Hälse bedeuteten ihm irgendeine Unterhaltsamkeit, die sich dort abspielen mußte...<br />

Er blickte umher, zu guter letzt, von Neugier und einer Vorahnung getrieben, machte er sich auf zum<br />

Schanktisch, zwängte sich, nach allen Seiten grüßend, vorsichtig nach vorne und wurde so Zeuge<br />

eines wirklich drolligen Schauspiels: Fatmanek Hagelbär, ein Faß von einem Mann, ein Hallakine mit<br />

einem Specknacken wie ein Fleischerschinken, ein so gefürchteter Zecher, daß sie ihn Na Truomok,<br />

das Loch, nannten, bereits mächtig schwankend, ihm gegenüber ein bleicher Mann in<br />

scharlachfarbenem Gewand, die Hände auf dem Tresen gefaltet, gelassen und mit einem heiteren Zug<br />

um die langbuschigen Brauen, dazwischen Harl mit glänzendem Gesicht und einem übel riechenden<br />

Krug, aus dem er wechselweise vor den beiden stehende Tonbecher füllte.<br />

Truomok aber zwinkerte bereits glasig, stierte mit wackelndem Kopf auf den scheinbar niemals sich<br />

leerenden Krug, und ein Gutteil des vollen Mundes verlief regelmäßig über seinem Wams - der<br />

andere versäumte es nicht, vor jedem Zug aus seinem Becher höflich den Umstehenden zuzuprosten<br />

und sich nach getanem Schluck mit einem flammendrotem Tüchlein geziert den Mund zu tupfen: die<br />

Wucht des Schnapses, der Fatmanek derweil zu erliegen drohte, hatte ihm bisher nur die Wangen<br />

leicht gerötet.<br />

Die Gesichter der anderen war Baß erstaunt, jedoch hielten sich Verwunderung und Enttäuschung die<br />

Waage - nur ein, zwei Männer, die ihren Ruf als Buchmacher hatten, strahlten fast enthemmt über den<br />

Verlauf dieses seltsamen Wettstreits.<br />

Der Wirt schaute dagegen geradezu finster, warf dem einen oder anderen, der ihn aufmunternd<br />

anstieß, einen bösen Blick zu: er hatte seinen Aufwand schon erledigt, sich entlohnt gesehen durch<br />

einen völlig besoffenen, fremden Laffen - Fetmanek als glücklicher Gewinner, und er reicher um<br />

einige Sonnen, gegebenenfalls um den rotgoldenen Ring, der, ihm seit einiger Zeit lästig, weil<br />

unversehens in weite Ferne gerückt, an seiner Theke blinkte.<br />

Jedoch Fetmanek bestritt seine Saufgelage so gut wie ausschließlich durch leichtsinnige Fremde oder<br />

sonstige Übermütige, die nach einigen Runden vor ihm besinnungslos zusammengebrachen; er selbst<br />

war sicher außerstande, den jetzigen Schnapsverbrauch zu bezahlen...<br />

Mit einem Ruck zog Harl die Kanne beiseite: „Das reicht!“ grollte er. „Das Loch ist voll!“<br />

Dann gab er dem Fetten einen Stoß, daß dieser in den Knien einknickte, mit dem Kinn auf den<br />

Schanktisch sauste und von dort zu Boden glitt, wo er alle Viere von sich streckte.<br />

Harl wandte sich dem Sammler zu. „Und wer“, knurrte er mißlaunig, „bezahlt?“<br />

Lanungo warf ihm einen überraschten Blick zu. „Cusa val, Cer Harl“, erwiderte er und übersah<br />

geflissentlich das sich weiter vergrimmende Wirtsgesicht, „ich habe doch die Regeln des - Spiels, wie<br />

Ihr selbst das Ereignis noch bezeichnet habt, richtig verstanden..., nicht mich“, er wies mit einer<br />

fröhlichen Gebärde auf den dicken Mann, den seine Kumpane etwas betreten, ja ratlos umstanden,<br />

„sondern ihn müßt Ihr das fragen - ich bedaure.“<br />

Sein Blick fiel auf Corwin. Dieser hob kurz-grüßend die Hand, wandte sich ab und zu einem kleinen<br />

Tisch, der, durch das eben Vorgefallene schaulustig geräumt, noch nicht wieder belegt worden war.<br />

Er hatte kaum Platz genommen, da erschien vor ihm auch schon der rotgekleidete Mann, nickte ihm<br />

zu: „Ihr seid Cer Dery, Corwin Dery...?“ fragte er.<br />

Und Corwin, in geckenhafter Höflichkeit, erhob sich halb, mit einem gewinnenden Lächeln: „Alle<br />

nennen mich Sell, Meister Buzecchia...“, jedoch als er sah, daß der Rote keine Miene verzog, stutzte<br />

er einen Augenblick, „...aber ich bin der, den ihr sucht - Meister Buzecchia...“ Zögerlich senkte er die<br />

Stimme und sank auf den Stuhl zurück. Er schluckte unruhig, der Rote betrachtete ihn immer noch mit<br />

dem gleichen, ausdruckslosen Blick, dem gleichen... ja, dem gleichen... ausdrucklosen... Blick...<br />

Plötzlich schnippte etwas vor ihm, und er schreckte hoch.<br />

Langsam zog der Rote seine Finger zurück.<br />

Die Augen! Die Augen eines Atamanen!

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!