Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
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Spiel - Thomas Peter Goergen<br />
Türe öffnen wollte, denn frierende Söldner waren durchaus zu Handgreiflichkeiten in der Lage; Elmar<br />
Einarm beheizte einen großen Kamin, nicht mehr und nicht weniger, und diese einzige Feuerstelle war<br />
hinter seinem Tresen. Trotzdem war die Schenke immer gut besucht, gerade um diese Jahreszeit, denn<br />
bei dieser Kälte galt es so nah wie möglich aneinander zu rücken und sich aufzuwärmen - wenn schon<br />
nicht am Herde, so doch am Nebenmann und einer Flasche Branntwein, und Gejohle und Beifall<br />
machten die Runde, wenn der mißmutige Wirt dann und wann ein Scheit aufs Feuer legte.<br />
Melirae hatte heute Abend nichts zu tun. Die Richterin hatte einen Empfang gegeben, hatte den<br />
kleinen Torador mitgenommen. Dabei wäre sie fehl am Platze gewesen, schade drum war´s nicht, was<br />
soll´s. Sie hatte sich nicht lange alleine im Hause aufgehalten, war gleich in die Unterstadt gezogen<br />
und hatte es sich eine Zeitlang, erst im „Totenkopf“, sodann im „Zweischneidigen Schwerte“ gut<br />
ergehen lassen.<br />
Allerdings brach sie schon recht früh wieder auf; irgendeine flüchtige Überlegung hatte die Zerstreuung<br />
wie eine Seifenblase zerspringen lassen - und, ohne sich noch an diesen lästigen Gedanken<br />
wirklich erinnern zu können, hatte sie doch plötzlich die Lust verloren und sie war das Gedränge, das<br />
kehlige Lachen leid: dosd ewje, was soll´s, zahlte sie still ihre Zeche, wischte einen Rempler beiseite<br />
und machte sich davon.<br />
Fast ungehalten schlug sie die Türe hinter sich zu, als sofort verschiedentliche Klagen über die Kälte<br />
laut wurden.<br />
Sie sah einen großen Schatten in die nächste Gasse laufen, hörte ein rauhes Schnaufen - „der<br />
Bärenmann aus den Bergen“, dachte sie noch; kalt war´s, wickelte sie sich enger in ihren Mantel und<br />
stapfte durch den Schnee - wer ist denn der... was will denn der... „He da“, machte sie droh-end - was<br />
ist das denn: „Verschwinde“, warnte sie, „weg, hau bloß...“ Melirae zog ihre Axt.<br />
Der Totengräber wußte nicht, wie ihm geschah.<br />
Vor ihm, aus dem Schatten des „Zweischneidigen Schwertes“ wuchs ein riesiges, fellbekleidetes<br />
Weib mit einem schweren, scharfen Beil in Händen, angriffslustig - dumpf drangen wütende Worte an<br />
sein Ohr, er machte eine beschwichtigten Geste - da sprang die Hünin mit einem markerschütternden<br />
Schrei auf ihn los und schwang das Mordwerkzeug im pfeifendem Bogen; seinerseits schrie er auf<br />
und warf sich zur Seite, etwas streifte seinen Arm...<br />
Mächtig dröhnten ihm die Gedanken im Kopf, die unheimlichen Bilder, falbes Angedenken, eines<br />
kolossalen, weiblichen Schädels mit großen, gelben Zähnen - die ihm gekommen waren, als er just<br />
den bärenhaften Mann mit dem steingefaßten Knochen am Rücken zwischen den Häusern verschwinden<br />
hatte gesehen - o großer Herrscher, durchfuhr es ihn, es geht wieder los... Er hat es<br />
ausgelöst!!<br />
Aber Melirae bebte vor Zorn: der Wicht, der Zwerg, der aus dem Dunkel gekommen war und sie<br />
plötzlich angekreischt hatte mit irrsinnigen, krallenhaften Händen, verkrampft wie im Wahn, als<br />
wollte er ihr die Augen aus dem Schädel kratzen - „Sdanooo...“, brüllte sie wutentbrannt, diese Ratte,<br />
diese Ratte - sie holte weit aus und schlug zu...<br />
Die Gestalt verschwand.<br />
Die kaltblaue Königin stand vor einem leeren Feld.<br />
Mit freudlosem Lächeln lehnt sich der Fremde zurück, auf seinen teigigen Zügen das blaue Licht wie<br />
ein Fackelzug des Sieges. Kalt. Gelöschter Durst.<br />
Nun aber! holt sich der Jäger das kaltumkämpfte Wild.<br />
Der Hai reckt sich vor.<br />
Das Zimmer war dunkel bis auf ein, zwei Kandelaber, in denen mit gleichmäßiger Glut zarte Kräuter<br />
brannten. Im Vorzimmer lagen auf den Bänken die Heiler der Stadt und schliefen, andere brüteten<br />
über ihren Büchern: kalte Umschläge, Riechsalz. Flüssigkeit einzuflößen hatte sich als unmöglich<br />
erwiesen. Sie war immer noch nicht wieder zu Bewußtsein gelangt.<br />
Torador saß am Bett seiner Mutter und rückte mindestens zum dutzendsten Male die seidenen Kissen<br />
zurecht. Seine Augen waren feuerrot und auch gerötet war die Haut seiner Wangen. Ansonsten war er<br />
von übermüdeter Blässe. Er hielt die Wache am Krankenlager der Richterin, inzwischen heiser, hatte<br />
er doch ununterbrochen leise, beschwörend geredet und geredet, Gedichte erzählt aus Kindheit und