Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
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Schatten - Robert Symons<br />
Taliësin und Gruhl saßen am Kamin in Taliësins Haus, Gruhl wie üblich auf dem Boden und Taliësin<br />
in ihrem Lehnstuhl.<br />
„Dreißig Goldsonnen,“, knurrte Gruhl, „das ist wohl recht viel, was?“<br />
„Das ist etwa so viel, wie die Mädchen im ‘Succube’ im Monat einnehmen, und die gehören schon<br />
zur oberen Verdienstklasse in <strong>Elek</strong>-<strong>Mantow</strong>.“, antwortete Taliësin. Sie seufzte. Längst schon war<br />
Gruhl kein Fremder mehr für sie. In den gut fünf Wochen, die er nun schon unter ihrem Dach lebte,<br />
und in denen sie ihn teilweise aufopfernd gepflegt hatte, war zwischen ihnen eine tiefe Freundschaft<br />
gewachsen. Sie war überrascht gewesen, in dem pelzigen „Wilden“ eine so einfühlsame und<br />
verletzliche Seele zu entdecken. Er liebte es zum Beispiel, Taliësin beim musizieren zu lauschen. Sie<br />
hatte ihm auch versprochen, im baldmöglichst eine Rohrflöte zu besorgen, das Instrument, das er in<br />
seiner Jugend spielen gelernt hatte. Aber auch in seinen Angstphasen, wenn er Nachts aufwachte und<br />
nicht mehr wußte wo er war, hatte sie sich um ihn bemüht. So bald er wieder aufstehen konnte, hatte<br />
er sich im Haus nützlich gemacht. Er hatte zwar keine große Erfahrung in Haushaltung, aber er<br />
bemühte sich redlich und lernte schnell, obwohl er immer noch ein lausiger Koch war. Er stand auf<br />
dem Standpunkt, gekochtes Fleisch zu essen sei, wie Aas zu fressen...<br />
Auch Gruhl hing seinen Gedanken nach. Er mochte das schwarzhaarige Menschenmädchen.<br />
Vielleicht mehr, als er sich selbst eingestehen wollte. Oft schon hatte sie ihn beruhigt und getröstet,<br />
wenn ihn seine Alpträume in den Horror der Arena zurückversetzt hatten, und er völlig desorientiert<br />
aufgewacht war. Wie hatte sie für ihn gesorgt, als er verletzt und bewegungsunfähig gewesen war.<br />
Nur ihre Ansicht über die abscheuliche Sitte, Fleisch zu kochen, störte ihn noch etwas...<br />
Gruhl fühlte sich, trotz aller Bemühungen Taliësins, eingesperrt, und Taliësin wußte das auch. Er war<br />
einfach nicht dazu geschaffen, tagelang an ein und demselben Ort eingesperrt zu sein, und in der<br />
Arena hatte man ihm das schon viel zu lange angetan. So wunderte es Taliësin keineswegs, als Gruhl<br />
eines Tages sagte: „Ich muß hier raus, Taliësin. Es tut mir leid, Du tust Dein Bestes, um es mir hier<br />
angenehm zu machen, aber ich ertrage es nicht mehr, hier jeden Tag eingesperrt zu sein.“ Taliësin<br />
nickte.<br />
„Ich verstehe Dich. Aber bitte... sei vorsichtig, ja?“ Er lächelte und strich ihr mit einer pelzigen Hand<br />
über die Wange.<br />
„Natürlich.“, sagte er.<br />
Gegen Einbruch der Nacht kehrte Gruhl ins Rattenloch zurück. Der Weg aus der Stadt hatte sich als<br />
einfacher erwiesen als Gruhl gedacht hatte. Seine Ausbildung als Jäger hatte ihm sehr geholfen. Fast<br />
den ganzen Tag hatte er in der freien Natur verbracht, hatte sich aus Stein, wie es der Tradition seines<br />
Volkes entsprach, einen Speer und einen Dolch gefertigt. Dann hatte er noch ein wenig gejagt, und so<br />
kam es, daß an seinem Lendenschurz baumelten, als er sich leise und auf Schleichwegen Taliësins<br />
Haus näherte. Gerade dachte er, es müsse jetzt gerade die Zeit sein, da Taliësin das Haus verließ um<br />
zur Arbeit zu gehen, als er Taliësin schreien hörte. Alle Vorsicht hinter sich lassend jagte Gruhl auf<br />
das Geräusch zu. Als er schließlich um die Ecke bog, sah er eine Gruppe von fünf Männern, die<br />
Taliësin teils festhielten, teils befingerten, und einer von ihnen hatte bereits sein Beinkleid herunter<br />
gelassen.<br />
Irgend etwas in Gruhls Inneren machte laut ‘Klick’. Seine Sicht schaltete auf messerscharfes<br />
Schwarz/Weiß, sein Blut rauschte und donnerte in seinen Ohren und sein Zeitgefühl begann, sich<br />
auszudehnen. Er knurrte, ein wildes, bösartiges Geräusch. Einer der Männer, es war der mit den<br />
runtergelassenen Hosen, begann sich umzudrehen, unendlich langsam so schien es. Er brachte die<br />
Drehung nie zu Ende; Gruhls Speer fuhr ihm in den Brustkorb und trat zur anderen Seite zum Teil<br />
wieder aus. Der Mann spuckte einen Schwall Blut und kippte dann langsam um. Noch bevor er den<br />
Boden berührte, war Gruhl bereits bei seinem Nachbarn, der verzweifelt versuchte, rechtzeitig an sein<br />
Kurzschwert zu kommen. Gruhl zerfetzte mit einem Prankenhieb den Kehlkopf, und der Mann sank in<br />
einem Schauer aus Blutstropfen in sich zusammen. Die anderen schienen sich nun gefangen zu haben.<br />
Zwei versuchten, Gruhl mit ihren Dolchen zu treffen, der Dritte floh.<br />
Gruhl, dessen Berserkerwahn noch anhielt, griff einfach mit beiden Händen in die weichen Bäuche<br />
seiner Angreifer und riß heraus, was er greifen konnte. Die ausgeweideten Leichen fielen wie nasse<br />
Säcke auf die inzwischen blutrote Straße. Dann bemerkte Gruhl die Flucht des Dritten. Mit einem<br />
Satz sprang er dem Mann in den Rücken und biß ihm mit einem feuchten Knirschen das Genick<br />
durch. Dann hastete er zurück zu Taliësin, das Blutbad, das er angerichtet hatte, völlig ignorierend.