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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Schattenfuchs und Schleiertanz - Christel Scheja<br />

Sie seufzte und zupfte sich die Kapuze eiligst zurecht, nur um dann einen vorsichtigen Blick zu der<br />

Mauer zu werfen um abzuschätzen, wie sie diesmal ungesehen über sie gelangen konnte.<br />

Widersprüchliche Gefühle rasten durch ihren Geist.<br />

Aziareya fühlte sich an ihre Jugend, als sie von drinnen Kinderlachen zu hören glaubte, erinnert.<br />

Cherindrasta - alles war gut gewesen, sie hatte ihre Mutter geliebt und ihr vollends vertraut. Sie war<br />

eine aufmerksame Schülerin gewesen, auch wenn die Lehren der Mechanika und Weisen sie nur<br />

gelangweilt hatten - ja, sie hätte sogar den Eid abgelegt, eine ...<br />

Aziareya schüttelte sich angewidert. Aber vor neun Jahren war alles zerbrochen. Nur durch diesen<br />

elenden Mirtanh, der zwischen sie und Ailanth getreten war. Aziareya wollte nicht länger daran<br />

erinnert werden - und doch, diese Nacht rief alles wieder hervor.<br />

Gegenüber ihrer Mutter hatte dieser falschzüngige Mann schön getan: Er war liebenswert und<br />

verständnisvoll gewesen, so daß Ailanth sich ihn in verliebt hatte, aber sie, Aziareya, hatte nur unter<br />

ihm leiden müssen: Unter seinen kleinen Boshaftigkeiten, die er ihr anlastete (wie oft hatte er Werke<br />

ihrer Mutter beschädigt und hatte behauptet, Aziareya sei es gewesen), unter dem Raub der Liebe<br />

ihrer Mutter, die er mit seinem Kind geschwängert hatte ...<br />

Schließlich hatte er sie umbringen wollen, als die ungeliebte Stieftochter zu klug und mächtig werden<br />

drohte - Aziareya erinnerte sich an die Konfrontation im Keller des Hauses ... wie er sie gepackt hatte,<br />

und ihr seine Pläne verraten, sie dann aber schneller nach dem Messer gegriffen hatte, als er ... wie<br />

das Blut über sie gespritzt war.<br />

Seitdem war das Band zwischen ihnen zerbrochen und ihre Mutter ihre größte Feindin gewesen: Sie<br />

hatte Aziareya verstoßen und all ihre Besitztümer vernichtet, um ihr Dasein zu leugnen, und wann<br />

immer sie sich daraufhin begegnet waren, versucht, es ihr heimzuzahlen, als sei sie eine Blutfeindin.<br />

Das Mädchen wußte, sie konnte sich des Dämons und Schattens, der ihr Leben belastete nur durch<br />

eine Möglichkeit entziehen, indem sie ihn auslöschte - nein, indem sie schneller war als dieser!<br />

Ihr Herz begann schneller zu pochen und trieb das Blut durch die Adern, daß ihr warm wurde.<br />

Cherindrasta, eines verstand sie immer noch nicht: ein Jahr hatten sie einander nicht bemerkt! Ob die<br />

Schleier dies gewollt hatten, oder Ailanth selber.<br />

Aziareya hatte in <strong>Elek</strong>-<strong>Mantow</strong> ein gutes Auskommen gefunden, sie stahl, was sie brauchte und lebte,<br />

so wie sie es gewohnt war - frei und unbeschwert in den Tag hinein. Sollte sie das jetzt so einfach<br />

aufgeben?<br />

Nachdenklich spielte sie mit dem Ring des Patrizierdämchens in ihrer Tasche. Kaum einer wußte, daß<br />

„das Füchslein“ ein Mädchen war, das sich weigerte einer der Banden anzuschließen.<br />

Und das war auch gut so, denn manchmal mußte sich Aziareya, wenn ihr die Wache wieder einmal zu<br />

dicht auf den Fersen war, als Magd verkleiden, um nicht aufzufallen, und selbst in den einfachen<br />

Gewändern einer Schankdirne wirkte sie auf Männer wie ein exotisches Tier: Unter der Kappe<br />

verbarg sich die nun fest geflochtene und für ihr Volk typische Haarflut, die bis zu den Hüften reichte.<br />

Allerdings juckte die Kopfhaut bei der Hitze im Mittmond mörderisch.<br />

Aziareya begriff nicht, warum die Männer hier sie hübsch fanden. In ihr hatte sich das Blut<br />

verschiedenster Vorfahren mit all seinen Vorzügen vermischt und ihr nicht nur das künstlerische<br />

Talent der Familie ihrer Mutter und die Gelenkigkeit ihres Vaters geschenkt, sondern auch ein<br />

Aussehen, das sie hervorhob. Eindrucksvolle grünblaue Augen mit einem schillernden leichten<br />

Silberblick, eine wahre Mähne feurigroten Haares, und die leicht gebräunte Haut machten sie zu<br />

einem für ihr Volk häßlichen Mischling, aber für die anderen offensichtlich reizvoll. Auch als<br />

Jüngling verkleidet konnte sie dies nicht gänzlich verbergen.<br />

Dann wurde sie unsanft aus ihren Gedanken gerissen.<br />

„Hab ich dich!“<br />

Im nächsten Moment raste eine Faust seitlich auf sie zu und traf sie in der linken Gesichtshälfte. Ihr<br />

Kopf wurde schmerzhaft zur Seite gedrückt, Aziareya stolperte einige Schritte weit und stützte sich an<br />

den Mauern des Tempelgebäudes ab. Im Licht der Monde konnte sie den vierschrötigen Mann kaum<br />

erkennen, der sie so angegriffen hatte. Aber seine Silhouette verriet ihn. Verdammt! Das war<br />

Koroush, einer der Burschen aus der größten Bande der Stadt, und er vergnügte sich damit, trotz<br />

seines beschränkten Verstandes, Kopfgeldjäger zu spielen.<br />

Sie hätte Reyards Warnung nicht überhören sollen - also stimmte es doch, daß jemand sie - vermutlich<br />

der eklige Fettsack aus der Oberstadt, dem sie ein paar kleine aber kostbare Schmuckstücke vor der<br />

Nase entwendet hatte, verstärkt suchen ließ!

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