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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Der Ruf des Falken - Claudia Wamers * Jürgen Nilkens * Oliver Nothers * Robert Symons<br />

Frau saß vor der Tür ihrer Hütte und webte einen bunten Stoff, während zwei rothaarige Jungen,<br />

Zwillinge, sie im Spiel umtobten. An einer anderen Stelle sah sie die Ruine einer abgebrannten<br />

Holzhütte. Auch hier Leben, in ihren Trümmern hatte sich ein junges Bäumchen angesiedelt, Gräser<br />

reckten sich empor, eine Eidechse sonnte sich in den ersten warmen Strahlen des Tages.<br />

Immer tiefer trug ihre Rappstute sie durch winklige Gassen in die Unterstadt, tief hinein in das Herz<br />

des Rattenlochs, und verwunderte Blicke sandte man ihr nach. Die junge Frau, hoch zu Roß, in<br />

sauberen weißen, grünen und blauen Gewändern, gänzlich unbewaffnet bis auf einen mit einer<br />

seltsamen Zierde versehenen, langen Wanderstab, war scheinbar ohne jede Furcht. Sie störte sich<br />

nicht an den Blicken der Passanten und ließ ihre grünen Augen ruhig wandern. Sie führte einfach ihre<br />

schwarze Stute durch die Gassen, lenkte sie, mehr unbewußt als mit Absicht, mitten durch das<br />

Rattenloch - an den kleinen Läden und den verkommenen Kaschemmen vorbei auf den östlichen Rand<br />

der Spalte zu.<br />

Auf ihrem Weg passierte sie auch das „Zweischneidige Schwert“, sie erkannte das Söldlingslokal aus<br />

ihrer Jugendzeit. Neben der Türe saß ein Bettler, ein alter Mann, früher wohl selbst einmal ein<br />

käuflicher Krieger, der in einem letzten Kampf sein rechtes Bein hatte einbüßen müssen. Der Mann<br />

saß ruhig dort, auf eine Gabe seiner Kameraden von einst hoffend. Gerade in dem Augenblick da die<br />

junge Frau sich näherte, traten zwei „Überbleibsel“ der vergangenen Nacht auf die Straße heraus, sich<br />

gegenseitig stützend, einen Bierkrug schwenkend. Der Veteran war nicht in der Lage, diesen<br />

torkelnden Gestalten schnell genug auszuweichen und so kam es, wie es kommen mußte. Einer der<br />

beiden stolperte, der andere wurde mitgerissen. Die beiden Betrunkenen nahmen dies zum<br />

willkommenen Anlaß, ein wenig herumzupöbeln und den fast wehrlosen Mann zwischen sich<br />

herumzuschubsen, und mit Bier zu besudeln. Die Frau brachte ihre Rappstute zum stehen, das<br />

Geplänkel versperrte ihr den weiteren Weg. Die beiden Söldner beachteten die Reiterin nicht, bis...<br />

„Werte Herren, hättet ihr wohl die Güte, mich passieren und den Mann in Frieden zu lassen?“ ertönte<br />

eine ruhige Stimme, die trotz des Gelächters der beiden Betrunkenen bis in den letzten Winkel der<br />

Straße zu tragen schien. Die beiden Männer ließen ab von dem Alten, der sich schnell auf seinen<br />

Krücken, in eine Gasse humpelnd, in Sicherheit brachte. Dies war das Rattenloch, wenn die junge<br />

Frau dort sich unbedingt einmischen wollte, so war es ihm Recht - er war durch sie nochmals<br />

davongekommen. Aber er hatte nicht das Bedürfnis sich auch noch anzusehen, was diese Kerle nun<br />

mit ihr machen würden. Er verschwendete keinen weiteren Gedanken mehr an das schwarzhaarige<br />

Mädel.<br />

Verdutzt blickten sich die Männer an, eine junge Frau auf einem schwarzen Pferd hatte die Stirn, sie<br />

derart anzureden. Nun, so dachte sich der eine, hübsch war das Mädchen, von ihr würde er sich<br />

eigentlich ganz gerne einmal stören lassen. Ein Grinsen dämonischer Vorfreude stahl sich in sein<br />

Gesicht, als er seinen Kameraden anknuffte. Zwei Blicke, ein Nicken, von jeweils rechts und links der<br />

Gasse näherten sich die Männer der jungen Frau, die immer noch ruhig dort verharrte.<br />

„Habt Dank für das freundliche Erfüllen meiner Bitte.“, sagte die Frau mit ihrer sanften Stimme. Sie<br />

machte Anstalten, das Pferd zum Weitergehen zu veranlassen, aber von jeweils links und rechts<br />

packten kräftige Männerhände ihr in das Zaumzeug, so daß die Stute nervös zu Tänzeln begann.<br />

„Hüb..hübscher Schwarzzopf, nich soo eilig, wo möchdess Du denn hin?“, fragte der eine lallend, der<br />

eine Narbe auf der Wange trug. Eklige Branntweinschwaden schlugen der Schwarzhaarigen entgegen,<br />

der Geruch nahm ihr fast den Atem.<br />

„Komm, steig ab, Du hast uns unseren Spaß gekostet, dafür möchten wir entschädigt werden.“, sprach<br />

der zweite, der noch lange nicht so betrunken schien, wie es sein Kumpan wohl war, und das machte<br />

ihn besonders gefährlich.<br />

„Du siehst noch dazu so aus, als könntest Du einen Mann besonders nett trösten - oder bist Du Dir in<br />

Deinen feinen Kleidern zu schade?“ Die letzten Worte kamen kalt, drohend, und der Mann begann,<br />

seine freie Hand unter den Rock der Frau wandern zu lassen.<br />

„Ich lege im Augenblick wirklich keinen Wert darauf, eure Gesellschaft zu teilen. Im Interesse eurer<br />

eigenen Gesundheit, werter Herr, rate ich euch, mein Pferd und mich in Frieden ziehen zu lassen.“<br />

Plötzlich hatte die Stimme des Mädchens eine ganz andere Qualität angenommen, scharf klang sie<br />

und scharf blickten auch die klaren, grünen Augen auf den Mann herunter. Der Narbige ließ sofort die<br />

Zügel fahren, irgendwie hatte er trotz seines schnapsschwadigen Hirns die Botschaft sofort

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