Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
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Keriams Schatten - Kai-Florian Richter<br />
Umhang, hängte den Beutel an den Gürtel und griff hinein. In ihrer Hand lag ein Stein, in der Art, wie<br />
er für Schleudern benutzt wurde. Dann griff sie in eine Tasche und holte eine Schleuder hervor, lud<br />
sie und schoß auf eines der Fenster.<br />
Mit lautem Klirren zerbrach es und mit einem Knall prallte der Stein von den Fensterläden ab, doch<br />
während der Stein noch flog, zog die Gestalt schon den nächsten Stein aus dem Beutel. Mit dem<br />
Zerbrechen lud sie neu, dann zielte sie und schoß. Ein weiteres Fenster zerbrach. Insgesamt<br />
wiederholte sie es sechs Mal, sechs Fenster zerbrachen mit lautem Klirren, dann holte sie einen<br />
weiteren Stein heraus, dieser war jedoch mit einem Pergament umwickelt. Diesen Stein schoß sie<br />
durch eines der Fenster im ersten Stock, das nicht durch Fensterladen verschlossen war. Dann rannte<br />
die Gestalt in Richtung Mauer und war wenige Augenblicke später verschwunden.<br />
���<br />
Chatsar stand im Schatten eines großen Baumes in Keriams Garten und wartete darauf, daß der<br />
Unbekannte auftauchte. Aufs Grundstück zu gelangen, war tatsächlich ein Kinderspiel, wie er<br />
feststellen konnte.<br />
Natürlich hatte er keinen Schlüssel mehr, doch die Mauer stellte absolut kein Hindernis dar. Und<br />
glücklicherweise hatte Keriam auch keine Wachen auf dem Grundstück, eine Möglichkeit, die ihm<br />
erst in den Sinn gekommen war, als er bereits auf der Mauer saß. So stand er bereits eine Stunde<br />
unter diesem Baum, deren weit herabhängende Äste ihn fast vollständig verdeckten, ihm aber dennoch<br />
einen ungehinderten Blick auf Eingangstür und weite Teile des Hauses boten.<br />
Sein Enthusiasmus, der ihn den ganzen Tag und auch weite Teile der Nacht getrieben hatte, wich<br />
langsam einem drängenden Kältegefühl, denn trotz seiner wärmsten Kleidung wurden seine Füße<br />
langsam, aber sicher zu Eis, und auch der Rest des Körpers war nicht wesentlich wärmer. Er dachte<br />
gerade ernsthaft darüber nach, die Beobachtung abzubrechen und wieder nach Hause zu gehen, als er<br />
einen Schatten sah. Zuerst glaubte er, sich getäuscht zu haben, denn er war sofort wieder<br />
verschwunden, aber dann tauchte er wenige Tritt weiter wieder auf. In gebückter Haltung rannte der<br />
Schatten aufs Haus zu, blieb dann davor stehen und ging schließlich von Chatsar weg ums Haus<br />
herum.<br />
Nach einiger Zeit, der Schatten war nicht wieder aufgetaucht, begann Chatsar unruhig zu werden,<br />
gerade wollte er ihm folgen, um zu sehen, was er machte, als er wieder auftauchte. Wenige<br />
Augenblicke später klirrte das erste Fenster, gefolgt von weiteren fünf. Dann rannte der Schatten vom<br />
Haus weg zur Mauer. Sofort sprang Chatsar aus seinem Versteck hervor und rannte hinterher, etwa in<br />
zwanzig Sprung Abstand. Blitzschnell war der Schatten über der Mauer verschwunden, es waren, wie<br />
zuvor auch, keine Geräusche von ihm zu hören. Schließlich erreichte auch Chatsar die Mauer, er<br />
sprang bereits einen Tritt vorher ab und war in kürzester Zeit auf der Mauer.<br />
Mit einem schnellen Blick in alle Richtungen suchte er den Schatten, doch war er nicht auszumachen.<br />
Zudem befand sich nur wenige Sprung entfernt eine Kreuzung, so daß der Schatten in vier Richtungen<br />
verschwunden sein konnte. Enttäuscht und schwer atmend, sprang Chatsar von der Mauer, noch im<br />
Fallen hörte er die Stiefel der Stadtwache, die gerade um die Ecke bog.<br />
-9-<br />
„Habe ich es nicht gesagt, er war es!“<br />
Keriam saß zufrieden zurückgelehnt in Larkurs Stube, er war sofort heute morgen hierher gekommen,<br />
obwohl die Festnahme Chatsars nicht öffentlich bekannt gegeben worden war. Aber Leute in Keriams<br />
Position und mit Keriams Vermögen erfuhren so ziemlich alles, was in der Stadt und vor allem bei der<br />
Wache geschah.<br />
„Es sieht ganz so aus.“ antwortete Larkur, er sah weit weniger zufrieden aus.<br />
Er konnte immer noch nicht glauben, daß Chatsar tatsächlich für die Angriffe auf Keriam<br />
verantwortlich war.<br />
���<br />
„Gibt er es wenigstens zu? Oder ist er etwa zu feige dazu?“<br />
„Nein, bisher hat er es strikt geleugnet.“