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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Spiel - Thomas Peter Goergen<br />

des Raumes zu. Ein paar Schritte vor dem bereits herbeieilenden zweiten Saalherrn erreichte Torador<br />

den Tisch.<br />

„Herr Lugubruk...?“<br />

„Ich bitte um Verzeihung, Herr Broschakal...“<br />

„O bitte, nein, ich wollte nur...“<br />

„Ihr - Euer - der Gast Eurer...“<br />

„Lugubrues“, warf der Mann mit der weißen Strähne in den sich verwirrenden Wortwechsel zwischen<br />

den beiden vornehm gekleideten Herren ein, „Parcesastre - Lugubrues.“ Damit faltete der Totengräber<br />

die Hände auf dem Tisch und betrachtete ruhig die beiden Herren, welche nunmehr sich wieder auf<br />

den Grund ihres Zusammentreffens besannen.<br />

Der Saalherr hielt es jetzt für angebracht, sich unauffällig zurückzuziehen; Torador hätte fast<br />

ähnliches getan, hätte ihn nicht eine höfliche Nachfrage zurückgehalten: „Ich will eigentlich gar<br />

nichts“, antwortete er, „aber ich war nur überrascht - wir hatten noch nie das Vergnügen...“<br />

Ob es für ihn, Torador, ein Vergnügen sei, sei zu bezweifeln, erwiderte der andere unbewegt, er<br />

jedenfalls freue sich über die Bekanntschaft. Woher denn Torador ihn kenne?<br />

„Eine - Freundin hat mich einmal - unlängst auf Euch aufmerksam gemacht...“<br />

„Wie schön“, meinte der andere ungerührt.<br />

„...Ihr seid ein - o danke“, ließ sich Torador auf die einladende Geste hin nieder, „ - ein Heiler? auch<br />

ein Heiler? wurde mir gesagt...“<br />

Er verfüge über gewisse Kenntnisse des Körpers, entgegnete der Totengräber mit einer Regung um<br />

die Lippen, in der man fast ein Lächeln hätte sehen können, „die allerdings eher auf Umständen<br />

beruhen, wo für einen Heiler nichts mehr zu tun übrig bleibt.“<br />

„Ich meinte auch nur“, sagte der Heiler, winkte einen Lakaien heran, indes schlug der Totengräber das<br />

Angebot eines Glases roten Weines höflich, aber bestimmt aus; erst als Torador, dessen für<br />

menschliche Schwächen geschulten Blick des anderen Liebäugelei mit einer am Nebentisch aufgetragenen<br />

Pracht aus Schokolade und Trüffeln, Sahne und Nüssen durchaus nicht entgangen war,<br />

nämlichen „Winternachtszauber“ von der Küche erbat, wurde Parcesastre nahezu umgänglich, taute<br />

sichtlich auf und begann eifrig den Verzehr.<br />

„Ihr seid ein kluger Mann, Heiler Broschakal“, bekannte er zwischen ein, zwei Löffeln, „aber...?“<br />

Torador nahm Abstand davon, ihn zur Vollendung des Satzes zu nötigen. „Ich habe nur“, sagte er<br />

zufrieden, „schon vorher einige Male von einem Mann gehört, der den Behörden bei der - Aufklärung,<br />

sagen wir mal, von Todesfällen unnatürlicher Art hilfreich gewesen sein soll... meine Freundin<br />

erzählte mir auch von Eurer, nun, Tätigkeit in der Unterstadt. Gerade im Sommer ist die - Bestattung<br />

(verzeiht, Ihr seid am Essen) unter dem Gedanken etwa der Seuchenvorsorge...“<br />

„Gewiß“, nickte der Totengräber, „doch vor allem denke ich, daß es nur wenige Menschen gibt, die<br />

von ihrer Mutter gezeugt wurden, um den Ratten anheimzufallen. Ich habe“, sagte er auf Toradors<br />

verdutzten Gesichtsausdruck hin, „eine etwas andere - Beziehung zu den Abläufen und<br />

Verstrickungen der Zeit!“<br />

„O, das Schicksal...“<br />

„Schicksal ist etwas für Helden und Liebende“, warf der andere unwillig ein. „Der einfache Mensch<br />

hat kein 'Schicksal', nur seine Zeit auf Nontariell!“ Nachdenklich widmete er sich seiner Schokolade.<br />

„Und was meine Zusammenarbeit mit den Behörden anbelangt - Euer Hauptmann Larkur traf mich,<br />

vor einigen Jahren, beim Tode des alten Von Erzfeld. Bevor die Untersuchungen abgeschlossen<br />

wurden, konnte ich ihn noch darauf aufmerksam machen, daß keinesfalls ein Fehltritt, sondern ein<br />

kräftiger Stoß den alten Mann die zehn Sprung in die Tiefe des Stollens befördert hatte. Er ging der<br />

Sache nach, und seitdem (ich weiß nicht, wie die Angelegenheit weiterverlief) wurde ich das eine<br />

oder andere Mal nach meiner - Meinung gefragt...“<br />

Und woher er wußte, daß Erzfeld nicht verunglückt, sondern...<br />

„Ermordet wurde? Nun“, schaufelte er geschickt einen wundervollen Trüffel aus der Sahne, „Ihr wißt,<br />

daß im Auge des Opfers das Bild des Täters...“<br />

„Ich bitte, also bitte Euch“, Torador lächelte mit einer Mischung aus Enttäuschung und Vergnügen<br />

über die kauzig-unbefriedigende Erklärung, „was der Volksmund...“<br />

„Welchen Grund sollte der Volksmund haben, Lügen zu verbreiten?“ knurrte der Totengräber, ohne<br />

indes den Anschein zu machen, durch den Heiterkeitsausbruch seines Gegenübers sonderlich gekränkt<br />

worden zu sein. Torador´s Lächeln gefror ein wenig. „Manchmal“, fuhr der andere fort (schien jetzt<br />

jedoch eher zu seiner Süßspeise zu reden als zu dem Heiler), „bleibt das Bild eines Mörders wie eine

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