Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
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Ein Eimer Bier und andere Verrücktheiten - Dietmar Cremers<br />
Ein Eimer Bier und andere Verrücktheiten<br />
Dietmar Cremers<br />
Die Unterstadt <strong>Elek</strong>-<strong>Mantow</strong>s stank erbärmlich. Die Hitze des späten Hamilé trug einen wesentlichen<br />
Teil dazu bei. Die Kleider der Bettler schimmelten, totes Fleisch faulte auf den Straßen vor sich hin,<br />
die ganze Stadt schien zu verwesen. Der Geruch im Zweischneidigen Schwert, einer der größten<br />
Kneipen der Unterstadt, war an diesem Abend nur wenig erträglicher. Das übliche Pack stand dicht an<br />
dicht und schwitzte, grölte oder erbrach Bier.<br />
In der Mitte des Raumes saß ein kleiner, unscheinbarer Mann an einem runden Tisch. Seine Runzeln<br />
und sein graues, eingefallenes Gesicht ließen ihn so alt wie die Berge erscheinen. Was wohl daran lag,<br />
daß dies tatsächlich sein ungefähres Alter war. Vor ihm stand unberührt ein Krug klaren Wassers. Das<br />
Zweischneidige Schwert war hoffnungslos überfüllt, doch um den grauen Mann herum war der Platz<br />
frei, wie eine Lichtung in einem dichten Tannenwald. Die nächsten Menschen standen mit dem<br />
Rücken zu ihm, die anderen blickten über ihn hinweg. Es schien keine böse Absicht zu sein, es war<br />
eher ein blinder Fleck mitten in der Menge, in dem das menschliche Auge erst gar nicht ein Objekt<br />
vermutete.<br />
Der Alte hingegen beobachtete seine Umgebung sehr genau und so entging ihm auch nicht, daß sich<br />
soeben ein großes, zotteliges Etwas durch die Menge schob. Dieser Mann kam mit Sicherheit nicht<br />
aus der Stadt. Allein sein Äußeres verriet eine fremdländische Herkunft: Seine rostbraunen Barthaare<br />
wuchsen ihm bis dicht unter die Augen und schienen mit einem gleichfarbigen Bärenfell zu<br />
verschmelzen, das er als Mantel trug. Seine Hände und Füße waren nackt und dicht behaart. Das<br />
Auffallendste an ihm war jedoch ein schwerer, langer Knochen, der in seinem wallenden Haar zu<br />
schweben schien, was den Gesetzen der Natur doch ganz außerordentlich widersprach und deshalb<br />
magisch sein mußte. Ebensowenig mußte Mutter Natur damit einverstanden sein, daß das eine Ende<br />
des Knochens fest mit einer Hülle aus Granit verschmolzen war.<br />
Dem Behaarten war die Enge in dem Raum offensichtlich unangenehm. Er schien augenscheinlich<br />
nicht vertraut zu sein mit der rüpelhaften Ellbogentaktik, die man benötigte um in einer vollen Kneipe<br />
von Punkt A nach Punkt B zu kommen. Statt dessen schob er sich seitwärts an den Leuten vorbei in<br />
dem sinnlosen Unterfangen niemandem wirklich nahe zu kommen. Naturgemäß wurde seine Route<br />
immer wieder versperrt und ähnelte mehr einem planlosen Irrweg durch ein absurdes Labyrinth. Sein<br />
Beobachter am runden Tisch warf die Stirn in Falten. Ein Gast? Oh ja, ein Gast. Der Alte nickte<br />
nachdenklich. Sieh da, ein Sohn der Berge. Es ist lange her, oh ja. Ein verwandtes Kind. Wie schön,<br />
wie schön... Ein leichter Windhauch zog durch den Raum. Innerhalb von Sekundenbruchteilen waren<br />
der Tisch, der Krug und der Alte verschwunden. Niemand schien sich darum zu kümmern, der leere<br />
Platz in der Mitte wurde einfach von den nachrückenden Menschen aufgefüllt. Keinem der<br />
Betrunkenen fiel der kleine Kieselstein auf, der jetzt achtlos von schweren Stiefeln über den Boden<br />
getreten wurde. Der Bergmeister schmunzelte in seiner eisigen Höhle....<br />
Unterdessen hatte der Mann in dem Bärenfell einen Weg durch die Kneipe gefunden. Zwischen ihm<br />
und dem Tresen befand sich nur noch ein letztes Hindernis: Ein junger Bursche in schwarzer<br />
Lederkleidung stand dort mit dem Rücken zu ihm und strich sich über einen dünnen Oberlippenbart.<br />
Dann rümpfte er plötzlich die Nase, drehte sich in einer geschmeidigen Bewegung um und blickte<br />
dem neuen Gast scharf in die Augen. Dieser senkte seinen Blick etwas, stand jedoch ruhig da und<br />
wartete anscheinend darauf, daß sich sein Gegenüber schon irgendwann in Luft auflösen würde. Der<br />
Junge beugte sich leicht vor und schnupperte kurz an dem Fell des Anderen. Angewidert verzog er das<br />
Gesicht. Seine Augen verengten sich und seine Hand tastete unmerklich zu einem kurzen Rapier an<br />
seiner Seite. Dann schien er es sich anders zu überlegen: Mit einer halb einladenden, halb abfälligen<br />
Bewegung machte er seinen Platz an der Theke frei und verschwand in der Menge.<br />
Der Neue schob sich an den Tresen und augenblicklich stand ihm ein älterer Mann gegenüber. Man<br />
sah diesem an, daß er nicht sein ganzes Leben lang nur Wirt gewesen war. Sein Gesicht war von<br />
mehreren Narben durchschnitten und ein Armstumpf zeugte von einem mißlichen Gefecht. „Was<br />
trinken, Fremder?“ Weder das seltsame Aussehen noch der strenge Geruch seines Gastes schienen<br />
den Wirt zu stören. „Den Aloumenn-Vioù.“ - „Bin ja schon weit gekommen, Fremder, aber das<br />
Gesöff kenn´ ich nicht.“, antwortete der Einarmige gutgelaunt. „Mein Name.“, brummelte der<br />
Behaarte mit etwas gequälter Stimme „Das is’ mein Name. Ich brauch’ Informationen.“ Der Wirt