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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Wie der Hieb des multorischen Säbels - <strong>André</strong> <strong>Wiesler</strong><br />

Seit fünf Tagen lebten sie nun zusammen in dieser Hütte. Inigo genoß Yesihjas Anwesenheit, aber es<br />

ärgerte ihn, daß er nicht mehr über sie wußte. Er war noch immer überzeugt, daß Yesihja alles war,<br />

nur keine Magd, aber immer wenn er dieses Thema anschnitt, brachte sie ihn mit einem: „Inigo, bitte,<br />

ich kann es dir nicht sagen, noch nicht...“ zum schweigen.<br />

Aber es gab noch andere Möglichkeiten, etwas über Yesihja herauszufinden. Auch wenn es ihn<br />

eigentlich reute hinter einer jungen Dame herzuspionieren, ließ seine Neubegierde ihm doch keine<br />

Ruhe. Kimber Loor und Corwin Dery waren diesmal keine Adressen, die anzusprechen er in Betracht<br />

zog. Beide waren zwar ausgesprochen gut informiert, aber über eine junge Multor, die erst seit drei<br />

Vierteln in der Stadt war, würden auch diese beiden nichts wissen. So wenig es ihm also gefiel, er<br />

würde eine alte Schuld einfordern müssen.<br />

Lächelnd beugte er sich zu der schlafenden Yesihja herunter. Sie wirkte fast wie ein unschuldiges<br />

Kind, wie sie da so lag, den einen Arm unter den Kopf geschoben, ihre Beine von der Decke entblößt.<br />

Mit zwei Fingern nahm er die Decke und legte sie wieder über die zarten Beine Yesihjas.<br />

„Yesihja, Yesihja.“, flüsterte er leise in ihr Ohr und schüttelte sie leicht an der Schulter. Sie öffnete<br />

verschlafen die Augen und lächelte müde, als sie ihn erkannte.<br />

„Ich muß einmal kurz weg, aber bis zum Mittag bin ich wieder da. Schlaf noch ein wenig!“, fuhr er<br />

fort, vorsichtshalber auf Multor, damit sie ihn auch im Halbschlaf verstand. Wie nützlich es doch war,<br />

daß er so viele Sprachen erlernt hatte. Schon früher war es ihm leicht gefallen, fremde Zungen zu<br />

imitieren und mit der Zeit hatte er eine stattliche Anzahl erlernt: Multor, Hallaksch, Rekischar,<br />

Nushq´qai natürlich, aber auch die Sprache der Vogelwesen, einige Worte der Charach (die zu formen<br />

seiner Kehle schwerfielen) und sogar die wenigen Worte I´Yat, die der Atamane seit seiner Ankunft<br />

unvorsichtig genug war zu benutzen, waren ihm präsent. Dazu die Dialekte des Ostlandes: <strong>Mantow</strong>in,<br />

die vergessene Zunge der Perger, aber auch der Dialekt, den heute die Männer und Frauen<br />

Pergemitrons sprachen. Die sanften Bilder Seelenruhs konnte er formen, ebenso wie die harten und<br />

manchmal albern anmutenden Begriffe des Höllenpfuhls.<br />

Regthil konnten seine Worte verstehen, auch Grantken wußten aus seinem Grunzen ihre Worte zu<br />

entziffern. Kurz, es gab kaum eine Sprache, die Inigo nicht zu sprechen wußte. Wie andere Leute<br />

Erinnerungen sammelten, sammelte Inigo Sprachfetzen. Er brauchte ein fremdes Wort nur zu hören,<br />

und schon verlangte es ihn danach, ihm einen Sinn zu geben. Er konnte es meist fehlerfrei<br />

wiederholen und vergaß es selten. Nur schreiben, schreiben konnte er kein Wort in keiner Sprache.<br />

Nur sein Name, ein schwungvolles Inigo, war ihm in der Hand.<br />

Leise schlich er zur Tür, blieb im Rahmen noch einmal stehen und rief Yesihja ein weiteres mal an.<br />

Als sie verschlafen aufsah, fragte er sie: „Kannst du bitte Wasser vom Brunnen holen?“<br />

Yesihja nickte. Inigo war sich nicht sicher, ob sie ihn verstanden hatte, aber vielleicht kam sie ja auch<br />

einmal von alleine darauf... Sicher nicht!<br />

In den vergangenen Tagen hatte Inigo ihr vieles beigebracht, was die Bewohner der Unterstadt -und<br />

jede Magd insbesondere- wußten: Wo gab es das sauberste Wasser, welche Rüben waren gut, welche<br />

schon zu dunkel und andere solcher Dinge, aber alles war für sie völlig neu.<br />

Inigo lenkte seine Schritte zum Stadtrand. Yesihjas Laune war immer wechselhafter geworden. Mal<br />

war sie begeistert und scheinbar glücklich mit ihm diese ´einfache Leben´ zu führen, dann wieder<br />

tieftraurig und scheinbar von Heimweh geplagt. Das sie nicht mehr versuchen konnte Atakuela zu<br />

besuchen, da Inigo seit dem ersten Talu keinen gültigen Passierschein für die Brücke mehr hatte,<br />

verbesserte die Lage nicht.<br />

Er war noch nicht weit gekommen, als ihn eine Stimme rief: „Inigo Bellodores, Herr Bellodores!<br />

Wartet doch bitte!“<br />

Er wandte sich um. Die Stimme hatte Rekischar gesprochen und tatsächlich war es eine junge<br />

Rekschat, die ihm da hinterherlief. Er begrüßte sie freudig und legte in das Rekischar eine Spur der<br />

Seelenruh-Farben: „A´Tjall, ich freue mich euch zu sehen! Wie lange ist es her, daß ich eure<br />

bezaubernden Augen erspähen und euer geschmeidiges Wesen bewundern durfte?“<br />

A´Tjall blieb stehen, stemmte ihre Hände in die Hüfte und lächelte breit. Ihre grünen Augen blitzen,<br />

als sie antwortete: „Nicht lange genug, daß ihr eure schmeichlerische Art abgelegt hättet.“<br />

Inigo machte eine tiefe Verbeugung, nahm dann A´Tjalls Hand und drückte seine Lippen kurz darauf:<br />

„Was kann ich für euch tun, meine Blume der reifen Felder Seelenruhs?“<br />

A´Tjall schlug ihn leicht auf die Schulter: „Laßt das! Der Herr Tibrand möchte, daß ihr dem Schreiber<br />

Dardal einen Brief auf Imperial schreibt.“

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