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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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„Das Licht das weg tut“ ist eingeschlafen - Claudia Wamers<br />

Tisch hockte ein Wesen, das einem kranken Traum entsprungen sein mußte. Muskeln, Krallen,<br />

Schuppen, Zähne und glühende Augen - mehr brauchte Gabraal nicht zu sehen. Er sah aber noch<br />

mehr, einen kleinen langgezogenen Kopf mit spitzen Zähnen im Maul, aus dem Speichel auf den<br />

Tisch rann, spärliche Haarbüschel, die sich wie lebendige Schlangen den Nacken des Wesens herab<br />

ringelten und lange Klauenhände mit messerscharfen Krallen an den Enden. Diese schuppenbesetzte<br />

Kreatur saß auf dem Tisch und begutachtete ihn, wie er sonst immer eine Zuckerstange ansah - wie<br />

eine einzigartige Leckerei.<br />

So groß schien das Wesen ja nicht einmal zu sein. Ein Stimmchen in seinem Hinterkopf sagte ihm, er<br />

solle sich doch bitte einmal die Wand der Hütte ansehen, so groß brauchte das Vieh nicht zu sein, um<br />

ihn mit Haut und Haaren aufzufressen. Und genau das schien es jetzt zu wollen, denn Gabraal sah<br />

genau, wie sich unter den feucht schimmernden Schuppen die Muskeln zum Sprung anspannten.<br />

Gabraal nahm das Jagdmesser fester in die Hand. Autsch... er wechselte das Messer in die andere<br />

Hand, er konnte mit Links nicht so gut hantieren - und außerdem hatte er sich geschnitten. Ach... der<br />

blöde Runenstein, Gabraal nahm dann eben den Stein dafür in die linke Hand. So, jetzt sollte das Vieh<br />

nur kommen. Gabraal hatte zwar mehr Angst als sonst etwas, aber er hatte eine Wand im Rücken...<br />

Und er hatte vielleicht das Vieh vor sich, es sah zwar nicht aus wie ein böser Zauberer, das seine<br />

Eltern und seinen Bruder geraubt hatte - und jetzt auch ihn noch holen wollte...<br />

���<br />

Da war er, glotzte zu ihm herauf, wartete auf seinen Untergang. Die Kreatur sah schnell den<br />

Zweibeinling etwas Blitzendes auf die andere Seite wechseln. Der kleine Zweibeinling hatte eine<br />

Kralle, mit der er sich verteidigen wollte - es würde viel Spaß machen...<br />

Das Wesen machte sich sprungbereit und drückte sich von der höheren Stelle ab, auf die er sich<br />

geschwungen hatte. Kein Ausweg war dem kleinen Zweibeinling gegeben, und das Wesen spürte<br />

schon, wie sich seine Zähne in das weiche Fleisch bohren würden, um dann das warme Blut zu<br />

schlürfen...<br />

���<br />

Gabraal hatte das Wesen abspringen sehen von dem Küchentisch. Er hatte nichts anderes getan, als<br />

instinktiv die Arme hoch zu reißen. Er spürte scharfe Krallen, die ihm den rechten Unterarm<br />

aufrissen, die bestimmt auch noch mehr aufgerissen hätten, wenn das Vieh nicht mit einem Heulen<br />

zurückgezuckt wäre. Das ohrenbetäubende Geheul brachte die ganze Hütte zum Beben..<br />

Eigentlich hätte der Zweibeinling sterben müssen, er hätte den Kopf verloren, doch statt dessen hatte<br />

sich etwas schmerzhaft in das Fleisch der Kreatur gebohrt... Wieder erscholl das ohrenbetäubende<br />

Geheul in der Hütte, so daß diese erbebte. Die Kreatur zuckte von dem Zweibeinling zurück und<br />

duckte sich, angriffsbereit, sichernd, abwartend... Sie beobachtete den Zweibeinling genau, was hatte<br />

da Schmerzen verursacht, was wagte da, sich gegen ihn zu stellen? Was...<br />

Das Wesen sah sich den Zweibeinling genauer an, eine Klaue dabei auf einen Schnitt im Unterleib<br />

gepreßt, aus dem eine leicht leuchtende rötliche Flüssigkeit rann. Das Wesen bebte vor Zorn und<br />

Schmerz, nur die Herren oder das LICHT konnten ihn verletzen, nicht ein einfacher Zweibeinling.<br />

Der kleine Zweibeinling saß, mit schmerzverzerrtem Gesicht, in der Ecke des Raumes und wimmerte<br />

leise, die Klaue und den Stein an sich gepreßt. Der STEIN!<br />

Der kleine Zweibeinling hatte den Torstein in einer blutigen Hand. Das Blut des Zweibeinlings hatte<br />

den Torstein benetzt, und der kleine Zweibeinling hatte die Kraft der Herren in sich... Durch die<br />

Verbindung aus Kraft und Blut hatte der kleine Zweibeinling den Stein endgültig aus dem Hain der<br />

Herren und aus ihrem Einfluß herausgerissen. Arrrgh, was tun? So konnte er doch nicht in den Hain<br />

der Herren zurück? Es konnte, so lange der kleine den Stein hielt, auch nicht an diesen heran -<br />

wütend fauchte es, versuchte nach dem Zweibeinling zu schlagen...<br />

Gabraal hielt sich seinen Arm, tot konnte er nicht sein! Sein Arm brannte, als wäre er in flüssiges<br />

Feuer getaucht worden, es tat weh! Er versuchte die Tränen zurück zu drängen, vielleicht war das<br />

Vieh ja noch da, vielleicht griff es ihn ja noch einmal an. Gabraal sah vorsichtig unter den abwehrend<br />

erhobenen Armen hindurch und blickte dorthin, wo das Vieh sein mußte. Das Monstrum hockte unter<br />

dem Tisch und funkelte ihn an, die Augen schienen fast Funken zu sprühen. Es war auch verletzt...<br />

Gabraal sah das Blut.

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