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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Spiel - Thomas Peter Goergen<br />

Mit diesem Schrei stolperte der Heiler durch die Menge an sich drängenden Rücken und Köpfen:<br />

„Mutter“, entfuhr es ihm entsetzt - sie lag, anscheinend bewußtlos, vom Stuhl dahingesunken, von den<br />

Gästen umringt...<br />

„Platz da, geht doch weg“, flehte Torador händeringend, „laßt ihr doch Luft, Luft“, und er fiel neben<br />

ihr auf die Knie: das anmutige, strenge Gesicht von lebloser Bleiche, die Glieder schlaff wie schon<br />

hinfort, ein bläulicher, giftiger Glanz auf Mund und Lidern - „Wasser, holt Wasser“, schrie Torador,<br />

„holt Mikall, einen Träger, einen Träger...“<br />

Doch sein Rufen verlor sich, ging unter in der summenden Menschentraube, die sich wild durcheinander<br />

warf, um zu sehen, was dort geschah...<br />

Einen Moment lang schwankte das blaue Licht. Die Gestalten glühten wie geschmiedetes Metall.<br />

Die lichtlosen Augen verengten sich zu einem scharfen Schlitz.<br />

Das Gesicht, das einzige Gesicht in der antlitzlosen Horde um die Königin, war vorgedrungen.<br />

Nutzlos, weit hinter sich gelassen, die kleine Gestalt, die zum Ersten bewegt worden war.<br />

Der grausame Mund, das Haifischmaul, verzog sich stumm und in maßlosem Hohn.<br />

Bald regt sich die Hand und ordnet neu die Reihen aus blauem Gestein. Die nächste Gelegenheit bot<br />

sich schon.<br />

Draußen war es bereits weit nach Sonnenuntergang. Die winterliche Luft war feucht und kalt, machte<br />

die Wangen frösteln, als hätte man sie an eine Glasscheibe gepreßt; und der Nachthimmel über der<br />

Stadt war wirklich makellos wie schwarzes Glas, auf das sich Sterne wie funkelnder Sand in<br />

rätselhaften, geomantischen Mustern verstreut hatten.<br />

Parcesastre stand am Rand der breiten Straße, die vom westlichen Tore aus geradlinig <strong>Elek</strong>-<strong>Mantow</strong><br />

bis zum Marktplatze durchquerte. Nach dem zähen, frierenden Leben, das sich tagsüber auf dieser<br />

Straße abgespielt hatte, war der Schnee des Morgens aufgewühlt und von den Furchen der vielen<br />

Händlerkarren zerschnitten; er breitete sich, im dampf-flackernden Schein der wegsäumenden<br />

Feuerbecken, wie ein gelbliches, zerwühltes Bett vor den Stufen des „Schillernden Vogels aus.<br />

Der Totengräber atmete tief die klare, frische Luft ein.<br />

Aus dem Gebäude hinter ihm lärmte es ins Freie, sie schickten nach den Heilern der Stadt; bald schon<br />

würde es ein paar Ratlose mehr geben.<br />

Parcesastre faßte den Mantel enger und stieg zügig die Treppe hinab. Als er die Straße überquerte, auf<br />

der Höhe der Feste der Stadtwache, stockte sein Schritt...<br />

Pferde.<br />

Pferde, kraftvoll und gewandt, mit glühendem, rasendem Huf.<br />

Die Reiter, der Zug der Reiter. Steinharte Reiter, in blauem Küraß.<br />

Kalt. Und grausam die Gesichter. Leer.<br />

Und - die Augen: schwarz, raubfischartig, verbissene Gier.<br />

Kalt. Da war es wieder.<br />

Der Grollen der kupferbeschlagenen Tore drang dumpf an sein Ohr. Mit von schrillem Kreischen der<br />

mächtigen Angeln verzerrtem Nachhall schwangen die dornbewehrten Flügel auf und ins Innere der<br />

Feste.<br />

Aus dem Innern drangen wütende Rufe und aufgeschrecktes Pferdegetrampel.<br />

Es ging sehr schnell - Lauschen: Tumult im Innern der Wache, die Befehle und die Flüche -<br />

Verharren, nicht weitergehen - die Lippen flatterten, als zählte er, dann tat er (sogar noch) einen<br />

kleinen Schritt zurück, nicht einen! Augenblick zu früh und nicht einen Daumen zu wenig, denn der<br />

im Irrsinn durchgegangene, schaumbedeckte Gaul donnerte keine Pfeilbreite an ihm vorbei, daß der<br />

peitschende Schlag des Schweifes ihn noch streifte und der reißende Wind an seinem Umhang zerrte!<br />

Fast umgeworfen hätten ihn dann die Wachen, die im Folgenden aus dem Tore stürmten; einer von<br />

ihnen, eine blutige Schramme im Gesicht und die Hand um den rechten Arm gekrallt, brüllte derart,<br />

daß die Adern an seinem Halse wie Taue hervortraten.<br />

„Seid Ihr... Ach nein!“, hörte Parcesastre da eine wohlvertraute Stimme.<br />

„Guten Abend, Herr Hauptmann“, erwiderte er und wandte sich um; Larkur stand, noch die Brauen im<br />

Ärger verfinstert, am Straßenrand, und betrachtete den Totengräber gereizt. Auf den entbotenen Gruß<br />

hin sog er scharf die Luft ein, deutete ein knappes Nicken an. „Ihr seid natürlich unversehrt“, stellte er

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