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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Schatten - Robert Symons<br />

„Ihr seid verletzt... Ich... Ich brachte euch hierher, um euch versorgen zu lassen.“ Gruhl atmete tief<br />

durch und setzte sich trotz der Schmerzen und des zunehmenden Schwindelgefühls auf.<br />

„Ihr habt viel Blut verloren, Herr, Ihr solltet besser liegenbleiben.“ Die junge Frau stand auf und legte<br />

eine Hand tastend auf Gruhls Schulter. Gruhl widerstand dem Reflex, sie anzuknurren, und ließ sich<br />

von ihr langsam wieder in die Kissen zurück drücken.<br />

Langsam musterte er die junge Frau noch einmal. Sie war etwas über drei Tritt groß. Ihre Haut wies<br />

die leicht rötliche Färbung der Nushq'quai auf. Ihr langes schwarzes Haar hing in wilden Locken über<br />

ihren Rücken bis zur Hüfte hinab. Ihre Gesichtszüge waren weich und freundlich, wenn auch<br />

momentan besorgt. Ihre Figur war, für menschliche Maßstäbe, wohlgeformt, Schlank aber nicht dünn,<br />

mit den richtigen Rundungen an den richtigen Stellen. Ihre hellgrünen Augen scheinen ihn immer<br />

noch zu mustern. Aber da war etwas in der Art ihres Blicks... Langsam hob Gruhl die unverletzte<br />

linke Hand und bewegte sie vor den Augen des Mädchens, was ein Lächeln bei ihr hervorrief.<br />

„Spart euch die Mühe, Herr. Ich kann sie nicht sehen, ich bin blind.“<br />

„Aber wie...“, setzte Gruhl an.<br />

„Ich höre sehr gut, und ich kann eure Bewegungen aufgrund der Geräusche ahnen.“, antwortete sie.<br />

Gruhl spürte, wie die Schmerzen sich verstärkten. Langsam drückten sie ihn zurück in die samtene<br />

Schwärze der Bewußtlosigkeit.<br />

„Wie... ist Dein... Name?“, brachte er hervor.<br />

„Taliësin, Herr.“, antwortete das Mädchen. Besorgnis schwang in ihrer Stimme mit.<br />

„Kann ich euch irgendwie helfen?“ Gruhl atmete tief ein und versuchte die schwarzen Schleier vor<br />

seinen Augen zurückzudrängen.<br />

„Taliësin,“, stieß er zwischen zusammengepreßten Zähnen hervor, „Dir verdanke ich... mein Leben<br />

und... meine Freiheit... Ich... danke... Dir.“ Bei den letzten Worten umfingen ihn die Schleier der<br />

Bewußtlosigkeit wieder mit bleierner Schwere.<br />

Taliësin war verwirrt. Sie hatte mit vielem gerechnet, Zornesausbrüche oder Schmerzensschreie, aber<br />

nicht mit diesem schlichten Dank. Und warum seine Freiheit? Dann tat sie etwas, das sie vorher noch<br />

nicht gewagt hatte. Sie hatte den Fremden durch die Straßen zu ihrem Haus geschleppt, was keine<br />

einfache Arbeit war, denn er war über einen Sprung groß und mußte gut zwanzig Stein wiegen. Dabei<br />

hatte sie bereits ertastet, daß der Fremde über ein dichtes, wolfsartiges Fell verfügte. Jetzt jedoch<br />

tasteten ihre Hände über seine verbundene Brust zu seinem Gesicht. Im Bereich des Halses wurde das<br />

Fell länger und weicher, bildete eine Art Mähne, in die ab und zu einige dünne Zöpfe eingeflochten<br />

waren. Dann stieß sie auf etwas schmales metallenes... ein Halsring, wie ihn Sklaven zu tragen hatten.<br />

Das also hatte er mit seiner Bemerkung über seine Freiheit gemeint! Langsam tastete sie sich weiter<br />

vor. Ein dichter Backenbart, eine pelzige Wolfsschnauze und schließlich spitze Wolfsohren oben am<br />

Kopf, von denen eines, es trug einen Ohrring, leicht zerrissen schien.<br />

Erstaunt ließ sich Taliësin wieder in ihren Lehnstuhl fallen. Was hatte sie nur bewogen, den Fremden<br />

hierher zu bringen? Er hätte statt eines entflohenen Sklaven auch ein Räuber oder Mörder sein<br />

können, der von der Wache gejagt wurde. Ihre Gedanken wurden unterbrochen durch die Glocke der<br />

Standuhr, die die fünfte Stunde schlug. Bald würde sie zur Arbeit gehen müssen. Lady Victoria würde<br />

sich Sorgen machen, wenn sie zu spät oder überhaupt nicht käme.<br />

2.<br />

„Ihr habt was?!?“, brüllte Chattar Kan, Leiter der Arena.<br />

„Wir verloren ihn im Nebel, Herr.“, antwortete der ziemlich eingeschüchterte Wächter.<br />

„Er hat Lankh und Manra in der Zelle getötet und Khullram von der Brücke geworfen. Dann floh er<br />

ins Rattenloch und wir verloren seine Spur im Nebel.“ Die Antwort des Wächters war nicht dazu<br />

angetan, die Laune seines Vorgesetzten zu bessern.<br />

„Ihr unfähigen Stümper!“, ereiferte sich Kan, eine beeindruckende Gestalt in roten Gewändern, über<br />

fünf Tritt hoch, mit der blauen Haut der Kasraliten. Seine regenbogenfarbenen Augen schienen vor<br />

Zorn Funken zu sprühen.<br />

„Fünfzehn meiner besten Leute sind nicht im Stande, einen einzelnen entflohenen Gladiator zu<br />

fangen?“, schnauzte er weiter.<br />

„Ich bin anscheinend nur von Schwachköpfen und Amateuren umgeben! Er ist verletzt, weit kann er<br />

nicht gekommen sein. Und nun lauf und such ihn, bevor ich Dir eigenhändig den Hals umdrehe, Du

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