Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
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Erkenntnis - Thomas Peter Goergen<br />
„Ich erachte diesen Anspruch nicht für stark“, erwiderte Lanungo, fast klang es spöttisch. „Und ich<br />
gebe Euch keine Erklärungen, Cer d'Ibrisco! Keinem hier! Pantuino!“ Im nächsten Augenblick fiel<br />
die Pforte hinter ihm ins Schloß. Draussen fanden die Nacheilenden nur noch leere Straßen und die<br />
Nacht.<br />
In den nächsten Tagen suchte Den den Sammler vergeblich.<br />
Er mußte feststellen, daß die Bereitschaft der Leute, ihn bei dieser Suche zu unterstützen, mehr als<br />
dürftig war. Viele wandten sich hastig ab, wenn die Sprache auf den Blutswanderer kam, und<br />
musterten Den daraufhin selbst mit fremdartigem Blick. Man sprach nicht gerne von jemandem, der,<br />
soviel erfuhr der Nuu-Giik zumindest, noch vor kurzem seine Finger gehabt hatte in einer üblen<br />
Angelegenheit (von Hexerei, verfluchtem Gold war die Rede, und einem Brandmal, das nichts<br />
anderes sei als das Auge des Fetaks, das er auf die Seele einer unglücklichen Nush'quai geworfen<br />
habe). Und er habe nach einem Drachen gesucht - es wird Zeit, diesem Schwarzkünstler 'was Heißeres<br />
als Drachenfeuer zu fressen zu geben!<br />
Irgendwer schwor noch Stein und Bein, er habe den roten Teufel leibhaftig gesehen, als der, zur<br />
Geisterstunde, sich mit einer wunderschönen, weißen Frau getroffen habe - zweifelsohne eine<br />
unheilige Fee, die ihm zu Diensten war, und zu was für Diensten, das dürfe sich der einfache Mensch,<br />
der Wert auf seine Seele legte, gar nicht ausmalen... Traurig hatte sich Den davongemacht.<br />
Dann aber, der Mittmond war zu zwei Vierteln bereits verstrichen, verbreitete sich in der geteilten<br />
Stadt lauffeuerartig eine außerordentliche Neuigkeit, welche Den aber in abgrundtiefe Verzweiflung<br />
stürzte.<br />
Es war in einer grauen Dämmerung gewesen, der Tag zur Nacht hin nahezu ausgeblutet. Jenseits der<br />
Kluft erhoben sich die Türme und Wälle der Oberstadt, die schwarzen Umrisse im Umfeld des<br />
sonnenlosen Himmels wie Kohle gegen das, was bereits Asche geworden war. Ein alter Mann, der<br />
sich aus den Ställen eines nahen Gasthauses Stroh gestohlen hatte, es jetzt unter seinem<br />
zerschlissenen Mantel zu einer Schlafstätte aufpolsterte, eine der namenlosen Bettelgestalten des<br />
Rattenlochs... Rauschkraut wärmte ihn und Abfall sättigte ihn. Er war müde, erschöpft. Was sollte er<br />
auch sonst sein... Niemand gab etwas auf ihn.<br />
Aber von seinem Versteck - es war nötig sich zu verstecken, um nicht das Opfer der Betrunkenen zu<br />
werden - von seinem Versteck aus sah er, was sich in dieser Mittmonddämmerung abspielte, hier am<br />
Rande der Schlucht.<br />
Er sah den gedrungenen Mann im dunklen Kapuzenmantel dort stehen, sein Gesicht sah er nicht, denn<br />
es schien kein Licht, wo er stand. Der Mann schien zu warten, denn er wandte den Kopf hin und her<br />
und spähte in das Dämmergrau der Umgebung. Dann kam der andere, der rote Mann, in seinen<br />
wehenden Gewändern und einem matt schimmernden Stab in der Hand.<br />
Sie trafen sich am Rande der Schlucht und der Alte war immerhin so nahe, daß er einzelne Worte<br />
wahrnehmen konnte: Was er wolle, fragte der Rote. Und der andere erwiderte mit einer Stimme, die<br />
wie aus einem zerschlagenen Munde kam, daß er mit ihm sprechen müsse. Dann sagte der Rote etwas<br />
von „Mutter“ und „Abkommen“, und der Dunkle lachte - seine nächsten Worte waren geflüstert und<br />
der Alte vermochte sie nicht zu verstehen - aber als nächstes sprach der Rote in schneidendem Ton<br />
von einer Warnung...<br />
Der Alte konnte sie sehen, wie sie dicht beieinander standen am Rande der Schlucht - und plötzlich<br />
der Gedrungene nach dem Roten packte, wie eine zubeissende Schlange! Wie sie rangen - lautlos -<br />
aber der Dunkle mit großer Kraft den Roten auf die Schlucht zudrängte... Seine Kapuze war<br />
abgeworfen worden, und er hatte ein Gesicht, schwärzer als die Wälle der Oberstadt.<br />
Es ging so schnell. Mit einem Schrei verschwanden sie über der Abbruchkante der Klamm.<br />
Zitternd kroch der Alte aus seinem Versteck. Die Schlucht lag nun wieder still, nur vereinzelt meinte<br />
man Steine kollern zu hören. Da fand der Alte im Zwielicht das Seil. Es lag straff gespannt, sein Ende<br />
hing in der Felsenschlucht. Ein Keuchen drang daraus... Und als der Alte aufschaute, kreuzte sich sein<br />
Blick mit dem des Wesens, das seinen Kopf aus dem Rachen der Schlucht erhob: ein rotes Auge war<br />
darin und die Haut war wulstig, rissig, finster wie Schlacke. So bohrte sich der Blick des Dämons,<br />
unverwandt, lähmend, in den alten Mann.<br />
Noch nie war der Alte so gerannt. Sein Atem rasselte, er glaubte an der Anstrengung zu ersticken. Als<br />
er einen letzten Blick nach hinten warf, gewahrte er den gedrungenen Mann, der den Roten in die<br />
Schlucht gerissen hatte, das Seil war um seinen Knöchel geknüpft. Behende sprang er aus der Klamm,<br />
schaute noch kurz hinein - und der Alte war sicher, daß der Dämon ihm ein Grinsen nachsandte... Der