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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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„Das Licht das weg tut“ ist eingeschlafen - Claudia Wamers<br />

Nun, wenn er wach war, dann war er bei seinen Eltern im Bett sicher gut aufgehoben. Er konnte dort<br />

weiterschlafen, bis diese dann auch aufstanden. Wenn er aber noch schlief und träumte, dann konnte<br />

er ruhig auch im Traum bei seinen Eltern im Bett liegen... Gabraal fand diese Idee wunderbar und<br />

schlüpfte zwischen den Vorhängen hervor.<br />

���<br />

Es war dunkel, es war Nacht, die Zeit , die er innig liebte. Der kleine Schatten hielt die Nase in den<br />

Wind, witterte und merkte auf. Irgendwie war die Luft heute anders hier in seinem Reich... es wehte<br />

ein frischer Wind durch die hohen alten Bäume. Er merkte wie sich ein seltsames, prickelndes Kitzeln<br />

seine Hornfortsätze entlang schlich, um dann schließlich - wie reflexartig, die Krallen an seinen<br />

hornigen Schuppenhänden hervorschnellen zu lassen. Es geschah etwas.... Waren die Herren<br />

zurückgekommen? Waren sie endlich zurückgekommen? Würde er wieder frei sein dürfen?<br />

Der Schatten huschte unter den Büschen her, immer scharf am Rande der morastigen Tümpel entlang,<br />

dem dornigen Brombeergestrüpp ausweichend. Bald schon hatte er den Altarstein erreicht und hockte<br />

sich auf den überwucherten flachen Monolithen, der dort von Runen übersät im Schatten gewaltiger<br />

Bäume stand, die sich wie Säulen eines Tempels in die Höhe reckten. Ja.... warm strahlte der Stein<br />

unter ihm, wie lange schon hatte er dieses Gefühl vermissen müssen? Wie lange schon war es her, das<br />

dieser Stein durch das Blut von Opfern so erwärmt worden war? Zu lange!<br />

Die kleine schuppige Gestalt witterte in ihre Umgebung, hmmm, ja - sie mochte die Veränderungen,<br />

die in der Luft lagen. Ohne sich zu rühren saß die häßliche kleine Gestalt auf dem Stein und genoß<br />

die Wärme und Kraft, die von unten herauf pulsierte. Allein die winzigen Augen funkelten orange in<br />

die Umgebung, in der man außer dem sanften Rauschen des Windes nicht einen Laut auch nur eines<br />

sterblichen Wesens vernahm. Eigentlich war es immer so, hier ertönten keine Geräusche sterblicher<br />

Wesen - sterbliche Wesen mieden diesen Ort, die wenigen, die es nicht taten, wurden getötet für die<br />

Herren. Genießerisch fuhr eine kleine Zunge über nadelspitze Zähne... Blut.... Das Wesen achtete<br />

weiter auf seine Umgebung. Es tat sich was... es tat sich was...<br />

Die Gestalt huschte von seinem Platz fort, näher an den Rand des Wäldchens, an den Rand seines<br />

Reviers heran. Es spürte den Machtlinien nach, die sein Reich zwar eindämmten, aber auch vor dem<br />

hellen „Draußen“ schützten. Die Steine rings um seinen Hain, sein Wäldchen, waren die Foci für die<br />

Linien der Macht an diesem Ort. Hier war er ihnen nahe, hier am Waldrand. Doch sie waren<br />

schwächer als sonst, die Linien waren schwächer! Nein, falsch, sie waren nicht schwächer - sie<br />

hatten sich von den Steinen gelöst - sie waren viel weiter weg von den Torsteinen! Triumphierend<br />

schlug das Wesen seine Krallen in den nächstbesten abgestorbenen Baumstamm, tief drangen sie ein -<br />

Holzstücke flogen davon und dunkel glitzernd brach eine Flüssigkeit wie Blut unter der beschädigten<br />

Rinde des scheinbar schon toten Baumes hervor.<br />

Er konnte diesen Ort verlassen! Er konnte auf die Jagd gehen, die Gunst der Stunde nutzen und die<br />

Herren rufen. Sie mußten nahe sein in solch einer langen Nacht voller Kraft. Es war eine Nacht, die<br />

so nicht sein durfte, von der bösen Kreatur aber fast jubilierend begrüßt wurde, weil „das Licht, das<br />

weh tat“ eingeschlafen war...<br />

Schnell bewegte sich das Wesen zu den Grenzsteinen hinüber, die ansonsten für ihn eine Barriere<br />

darstellten, die er nicht zu überschreiten imstande war. Hier waren die Torsteine - da war auch der<br />

Stein, den der kleine Zweibeinling mit dem Flammenkopf einfach besudelt hatte, indem er ein Stück<br />

davon mitnahm.... Ja!<br />

Er spürte dem Stückchen Stein nach, wie er es seit dem Verschwinden des Zweibeinlings schon so oft<br />

gemacht hatte. Nie hatte er den gestohlenen Stein, den einzigen Makel in seinem diensteifrigen<br />

Dasein, spüren können. Doch jetzt, jetzt vernahm er ein schwaches Echo aus der Richtung, in die der<br />

Zweibeinling damals verschwunden war. Was noch viel seltsamer war - als er in diese Richtung zu<br />

wittern begann schien es ihm, als würde er regelrecht gerufen.... etwas zog ihn dort hin, süß und<br />

vielversprechend.<br />

Entschlossen machte das kleine Wesen einige Schritte über die Begrenzung des Torsteines hinaus,<br />

früher ein Todesurteil für ihn, hätte „das Licht, das weh tat“ ihn doch schnell getötet. Und nun?<br />

Nichts geschah, die samtene Dunkelheit, schwer und süß um ihn herum, blieb und hieß ihn<br />

Willkommen! Mit einigen wilden Sprüngen machte sich die Kreatur auf, den Zweibeinling zu finden<br />

und das Stück des Torsteines wieder zurückzubringen... mit dem Zweibeinling als Opfer für die<br />

Herren...

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