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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Stiefkinder des Schöpfung I: Die vier Jahreszeiten - Marc Rösel<br />

verkaufen zu wollen. Er ist einfach nur stolz darauf, fast wie verliebt. Mir ist der fanatische Glanz in<br />

seinen Augen aufgefallen, wenn er seine Messer aus der abgewetzten Ledertasche packt und sie<br />

präsentiert. Irgendwie beginnt mich Radegast in zunehmendem Maße zu beunruhigen.<br />

28. Oberring<br />

Heute bin ich mitten in der Nacht aufgewacht und wie von unsichtbaren Fäden gezogen zum Fenster<br />

gegangen (der „Puppenmeister“?). Im Schatten der gegenüberliegenden Häuserfront sah ich eine<br />

rotgekleidete Gestalt, die die Pension beobachtete. Dann, urplötzlich, wurden mir die Augenlider<br />

schwer, und als ich kurz blinzelte, war die rote Gestalt verschwunden. Ich fand den Rest der Nacht<br />

keinen Schlaf mehr, trotz Ailanths Wunderpulver.<br />

30. Oberring<br />

Ich habe das seltsame Gefühl, verfolgt zu werden. Dimitri? Nein, er ist viel zu beschäftigt mit seiner<br />

Hure. Außerdem, wer hätte noch Grund, mich beschatten zu lassen, jetzt, wo Joao in Kasralit ist? Ich<br />

bin keine wichtige Persönlichkeit, ich habe keinen politischen Einfluß, und reich bin ich auch nicht.<br />

Trotzdem habe ich mir angewöhnt, lieber meinen Rapier mitzunehem, wenn ich auf die Straße gehe.<br />

Vielleicht geht es ja um eine meine Schülerinnen, ein Komplott, das gegen sie geschmiedet wird, und<br />

ich bin der Köder oder irgendeine Randfigur, die miteinbezogen wird. Wieder kommen mir die Karten<br />

in den Sinn, die Ailanth mir gelegt hat. Der „Puppenmeister“...<br />

33. Oberring<br />

Die Gäste der Pension verhalten sich sehr merkwürdig in der letzten Zeit. Dimitri ist zu einem<br />

parfumierten Popanz in pseudo-schicker Kleidung degeneriert, die kein echter Aristokrat tragen<br />

würde, aus Scheu, sich lächerlich zu machen. Er macht Yssa weiterhin den Hof, und die<br />

Liebesgedichte, die er ihr vorträgt, sind das Schlechteste, was ich bislang aus seinem Munde<br />

vernommen habe, und doch schmilzt sie dahin wie Wachs. Yalno, der gestörte Sohn der Feheli,<br />

schleicht im Haus herum und ist immer da, wo man ihn am wenigsten erwartet. Mit großen leeren<br />

Augen starrt er einen an, daß man glaubt, darin zu ertrinken wie in einem bodenlosen Zwillingssee.<br />

Radegast sitzt im Aufenthaltsraum und schleift seine mörderischen Messer, erzählt jedem, der<br />

hereinkommt, wie leicht es ist, einem Menschen damit die Halsschlagader zu öffnen, schwärmt davon,<br />

daß seine Klingen Fleisch und Knochen schneiden wie Butter. Penhaligon wird fast jeden Tag von<br />

zwei jungen Männern aufgesucht, die ihn in Gespräche über Themen verwickeln, die er scheinbar<br />

lieber meiden möchte. Der dünne, wie ausgemergelt wirkende Tibidago, der immer einen hohen<br />

schwarzen Hut auf dem Kopf hat, tut sehr geheimnisvoll, während der goldhaarige Kasralit, Aramar,<br />

einen aufgeschlossenen Eindruck macht und offen mit Penhaligon spricht, ohne ein Blatt vor den<br />

Mund zu nehmen. Die Gespräche kreisen um Mystik, uralte Bücher und um Magie - was Tibidago<br />

jedoch zu kaschieren versucht. Der verstaubte Antiquar hat sich bisher geweigert, sie in seine<br />

Wohnung mitzunehmen, so daß ihre Unterhaltungen im Salon der Pension stattfinden. Aramar stört<br />

das nicht weiter, Tibidago sehrwohl. Soweit ich herauskristallisieren konnte, möchten beide junge<br />

Männer Penhaligons Schüler werden, worauf er jedoch sehr zurückhaltend, um nicht zu sagen<br />

ablehnend reagiert. Ich denke, es ist an der Zeit, herauszufinden, was das alles zu bedeuten hat.<br />

35. Oberring<br />

Almir hat mir wie stets gute Auskunft erteilt. Yssa Caerdonthiel ist eine Hure aus dem „Succube“, die<br />

sich mit Dimitri „angefreundet“ hat. Aramar ist ein junger Zauberlehrling, Tibidago ein Mystiker -<br />

und von Ludomill Penhaligon heißt es, er sei ein uralter Meisterzauberer, der sich zur Ruhe gesetzt<br />

hat... Kirlian Radegast, so wußte mir der alte Bettler zu berichten, streift manchmal durch die<br />

Unterstadt, versucht Streit zu provozieren... um dann mit seinen tödlichen Messern ein Blutbad<br />

anzurichten. Mittlerweile geht man ihm in der Unterstadt aus dem Weg, denn selbst das Gesindel, das<br />

dort haust, legt sich nur ungern mit einem verrückten Mörder an, der Gefallen daran findet, Menschen<br />

sterben zu sehen, zu beobachten, wie ihr Blut über seine Hand strömt und zu Pfützen zusammenfließt.<br />

Almir erzählte mir nichts wirklich Neues, aber ich fand alle meine Verdachte bestätigt.<br />

36. Oberring

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