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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Erkenntnis - Thomas Peter Goergen<br />

„Aber - oh...“<br />

„Und Ihr wagt es auch noch, so edel und großmütig zu sein, meinen unwürdigen Undank durch Eure<br />

Hochherzigkeit noch viel schlimmer - unerträglicher für mich zu machen, als er er eh schon ist...<br />

beqwia, beqwia val'love, cusa...“<br />

Aber er habe doch sein Leben gerettet, brüllte der Nuu-Giik und breitete entgeistert die Arme aus.<br />

„O nein, wenn es so einfach wäre...“ Der Atamane erhob sich ruckartig aus dem roten Tuch, setzte<br />

sich auf und stierte mit weit aufgerissenen Augen ins Leere, wehrte aber den anderen ab, als dieser<br />

versuchte, ihm jetzt ins Gesicht zu blicken. „Ich bin ein Atamanai“, flüsterte er. „Wie soll ich es Euch<br />

erklären...“<br />

Eine kleine Stille; da sagte der Nuu-Giik: „...daß Ihr glaubt, ich hab´ was wertvolleres gerettet - als<br />

Ihr?“ Es klang nicht bitter, wohl eher neugierig.<br />

Allein, der Sammler schüttelte sich bei diesen Worten.<br />

Er atmete tief, schien sich zu beruhigen. Dann sprach er: „Ganz im Gegenteil!“ Und warf einen<br />

schmerzvollen Blick in das freundliche, fragende, offene Gesicht seines Gegenübers. „Ganz - im<br />

Gegenteil!“ Und er fuhr leise fort: „Wir glauben, Den vom Volke der Nuu-Giik, wir glauben, glauben<br />

wie kein anderes noch lebendes Volk je glaubte! Wir verehren den...“ Jäh brach er ab, als hätte er<br />

bereits zuviel gesagt. Er wirkte völlig erschöpft.<br />

Auf einmal stupste ihn etwas an die Wange, etwas hölzernes und Wasser tropfte herunter.<br />

Den reichte ihm eine Trinkschale aus hellem Holz. „Die gute Frau hat gesagt“, erklärte er, „Ihr sollt<br />

das trinken. Sie sagt, Ihr sollt sogar viel trinken! Vielleicht“, er grinste plötzlich mit seinem gelbgroßen<br />

Gebiß, „wenn Ihr wieder laufen könnt, dann... dann trinken wir was zusammen...“ und er<br />

fischte einen tönernen Krug unter einem Stein hervor, entkorkte ihn mit den Zähnen, daß sich der<br />

heftig-scharfe Geruch nach frisch Gebranntem entfaltete.<br />

Da lächelte Lanungo - tasächlich lächelte er: und Den freute sich unbändig, als er den Blutswanderer<br />

das erste Mal wirklich lächeln sah, ohne Maske und ohne die merkwürdige Höflichkeit wie zuvor.<br />

Wenig später war der Sammler eingeschlafen.<br />

Als die Nacht hereinbrach, füllte sich die Schenke. Bald tummelten sich, im dumpfen Licht der<br />

Pechfackeln, die Gäste des „Totenschädels“ über den feucht-muffigen Bohlen.<br />

Obgleich die warme Sommerzeit keine gute Zeit für die Schankwirte war, denn lieber lärmten die<br />

Leute durch die lauen Straßen als im Innern der Wirthäuser, konnte Harl heute gute Geschäfte machen<br />

- viel Bier und Schnaps wurde verlangt und getrunken, und die eine oder andere Thekenwette tröstete<br />

den Wirt darüber hinweg, daß der Winter, seine vollen Stuben frierender Menschen noch weit entfernt<br />

waren.<br />

Der große Echs saß immer noch an seinen Tisch gezwängt, hatte aber ein in schwarzes Fell<br />

gebundenes Buch hervorgezogen und schrieb mit einem Kohlestift in seiner bauchigen Schrift.<br />

Wäre der Echs, der sich selbst „Zir“ nannte, erst seit kurzem in <strong>Elek</strong>-<strong>Mantow</strong> gewesen, hätte seine<br />

ungewohnte Erscheinung heute abend sicher wieder den einen oder anderen herausgefordert - daß ein<br />

„Tier“ hier aufrecht auf zwei Beinen umherschlich, war für einige schon verwunderlich genug. Daß<br />

dieses „Tier“ dann auch noch die Kunst des Schreibens beherrschte, fanden hingegen fast alle<br />

außerordentlich. Und wieder hätte es, diesmal aus Neid, einige zu unüberlegten Handlungen<br />

hingerissen, wäre nicht inzwischen bekannt gewesen, daß Zir schnell und geschickt mit seinem<br />

Stielhammer war...<br />

In seiner Tasche verbarg Zir den Grund, weswegen er sich in die geteilte Stadt im Osten Nontariells<br />

begeben hatte: eine kleine, schwarze Perle, die so kalt und schwarz war, als hätte nie ein Lichtstrahl<br />

sie berühren können. Ein gefährliches Kleinod. Es hatte Meuchler, gedungene Söldner, Hinterhalte<br />

und Tod im Gefolge. In der letzten Zeit war es freilich ruhig gewesen, als hielte irgendetwas seine<br />

schützende Hand über ihn... Er legte den spitzen Kopf in den Nacken, schüttete aus dem Krug in sein<br />

halbgeöffnetes, von dunkelgeäderten Hautfalten durchzogenes Maul. Er schlürfte durch die scharfen<br />

Zähne.<br />

Er hatte erfahren, daß einer der „Feuerjäger“, wie die Urszzzzsraxszsxch jene Wesen benannten, in<br />

der Stadt sei, und auch auf der Suche nach einer schwarzen Perle. Zu dumm, daß Zir diese<br />

Möglichkeit, mehr über seinen Schatz zu erfahren, nicht ausschöpfen konnte: einen „Jäger“ um etwas<br />

zu bitten, und sei es auch nur die Antwort auf eine Frage, hieße ihn einzuladen - damit jede<br />

Gegenwehr aufzugeben - einem den „Pfad“ zu rauben und also jede Aussicht auf eine Wiedergeburt.

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