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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Der Ruf des Falken - Claudia Wamers * Jürgen Nilkens * Oliver Nothers * Robert Symons<br />

noch einen Moment. Dann stieg ich langsam und leise die Stiege in die Scheune hinab. Allerdings...<br />

kam ich zu spät, viel zu spät. Nein, die Männer hatten die Frau nicht getötet, nein. Sie hatte es selber<br />

getan, hatte sich an einem Strick erhängt, weil sie die Demütigung nicht ertragen konnte. Ich habe sie<br />

begraben dort...“ Schweigen erfüllte den Raum.<br />

„Manchmal packte mich noch heute die blanke Wut. Auch wenn ich, wie am folgenden Tag gesehen,<br />

an hingemetzeltes Vieh und niedergebrannte Gehöfte erinnert wurde. Teils war es die Wut auf solche<br />

Kreaturen, die sich Menschen schimpfen, teils war es die Wut auf mich selber, daß ich nichts getan<br />

hatte. Aber was hätte ich alleine tun können? Was? Was? Was konnte ich tun? Ich half wo ich konnte<br />

und so gut ich eben konnte.<br />

Am Morgen nach dem Ereignis in der Scheune war ich auf einen anderen Trupp, einen<br />

Versorgungstroß und Feldlazarettstrupp, gestoßen. Hier gab man mir etwas warme Suppe für das<br />

Tränken der Pferde und dafür, daß ich Verbandsmaterial wusch oder auf die Verwundeten achtete.<br />

Hier fiel ich dann anscheinend dem alten Medicus auf, der den Trupp versorgte. Er sagte mir das<br />

jedenfalls einmal, daß er bemerkt habe wie ich eine ruhige Hand hatte, mich nicht vor Blut fürchtete<br />

und Verletzungen. Noch dazu hätte ich den Verwundeten Mut zugesprochen und mich<br />

wundersamerweise sehr gut mit den Kräutern und dem Anlegen von Verbänden und Schienen<br />

ausgekannt.<br />

Dort durfte ich endlich tun, was ich immer hatte tun wollen. Und ich kämpfte um jeden Mann, focht<br />

für das Leben einer jeden Frau, ungeachtet des Ranges, ungeachtet der Herkunft. Der alte Medicus,<br />

Tagrianus war sein Name, hatte von dem Augenblicke an ein Auge auf mich, und für die weiteren<br />

Monatswechsel blieb ich bei diesem Troß. Mehr und mehr vertraute der alte Mann auf mich, mehr<br />

und mehr seines Wissens übergab er an mich. Ich blieb und lernte.<br />

Eines Tages, es war im tiefsten Winter, wie ich ja Anfangs sagte, war wiederum der Morgen einer<br />

Schlacht gekommen. Zwei Tage davor waren Männer und Frauen zu unseren Leuten gestoßen, deren<br />

Gewandung ich bislang noch nie auf dem Schlachtfeld gesehen hatte. Sie trugen weiße Mäntel mit<br />

blauen Kanten, auf denen ein seltsames, einer Hand gleichendes Symbol, angebracht war. Ihre weitere<br />

Kleidung war in sanftem blau und grün gehalten. Ich...“<br />

„Also sahen die Klamotten genau so aus wie die, die Du jetzt trägst?“, fragte Lianna dazwischen.<br />

„Ja genau, die Kleidungsstücke sahen so aus wie mein Gewand und Mantel. Also, ich erinnere mich,<br />

wie ich zu Tagrianus gelaufen bin, um ihn über diese Männer und Frauen zu befragen...<br />

Tagrianus erzählte mir dann von dem Orden der Astanaciner und der Göttin des Lebens, Astanace, der<br />

sie dienen. Sie begleiten die Schlachten und kümmern sich, ungeachtet auf welcher Seite der<br />

Verwundete steht, um dessen Pflege und Genesung. Niemand auf dem Felde würde es wagen, einen<br />

Astanaciner anzugreifen oder von der Ausübung seiner Pflicht abzuhalten, denn niemand konnte<br />

wissen, wann er nicht selber einmal die Hilfe eines Medicus benötigte.“<br />

Leandra nickte, schon mehr als einmal hatte sie gesehen, wie einer der Astanaciner einen Verletzten<br />

unter einem Schauer von Pfeilen in Deckung zog, und wundersamerweise dieser Hagel von Pfeilen<br />

sich so lange einstellte, bis beide, Retter und Geretteter, in Deckung waren. Und, so mußte sie sich<br />

eingestehen, auch sie hatte schon den ein oder anderen Grund gehabt, Astanace Dank auszusprechen.<br />

„Laßt mich nun endlich dazu kommen, wie ich mich in einem Lazarettbett und später bei den<br />

Astanacinern wiederfand.<br />

Der Schnee fiel leise, und die Schlacht begann und das Kampfesglück wanderte von einem zum<br />

anderen. Die Astanaciner waren immer mitten im Gewühle. Ihre Helfer trugen die Bahren mit den<br />

Verletzten vom Schlachtfeld, sie selber versorgten die Verwundeten. Auch der alte Tagrianus war<br />

plötzlich mitten im Schlachtfeld zu finden, obwohl er dafür längst zu alt geworden war. Er hatte wohl<br />

als einziger einen der Hauptmänner fallen sehen und wollte ihm zu Hilfe eilen. Allerdings, Tagrianus<br />

hatte kaum den gestürzten Mann erreicht und ihm den Helm vom Kopfe gezogen, da sah ich einen<br />

Reiter der Gegenseite auf die beiden zupreschen. Ich rief Tagrianus noch zu, er solle sich in Acht<br />

nehmen, doch der Reiter war schneller und speerte den alten Mann einfach nieder, so daß er<br />

regungslos liegenblieb und dunkles Blut erbrach. Dem Hauptmann konnte sich der feige Reiter nicht<br />

mehr widmen, denn auf meinen Ruf hin war man auf ihn und den Medicus aufmerksam geworden.

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