Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
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Stiefkinder des Schöpfung I: Die vier Jahreszeiten - Marc Rösel<br />
„Wer von euch hirnlosen sterblichen Narren hat das Blut der Roten Zauberin vom Boden gekratzt?!“<br />
Ich bin müde, und meine Feder erlahmt. Nach dem Schwall an Bildern und Gefühlen, die ich aus mir<br />
herausgeschrieben, sozusagen mir von der Seele geschrieben habe, bin ich ermattet, eine eher geistige<br />
denn körperliche Erschöpfung. Ungeachtet dessen war es aber auch so ein anstrengender Tag durch<br />
die Fragen der Stadtwache, allen voran Hauptmann Larkur, der mit der Klärung dieses Falles -<br />
immerhin Mord in mindestens zwei Fällen (soviele Leichen liegen zum gegebenen Zeitpunkt vor) -<br />
beauftragt und hartnäckig bemüht ist, jede noch so geringfügige Kleinigkeit in Erfahrung zu bringen,<br />
wobei er auch nicht davor zurückschreckt, die gleichen Fragen wieder und wieder, und sei es hundet<br />
Mal, zu stellen, gemäß der Devise; „Es sind die unbeachteten Details, die am Ende einen Fall lösen.“<br />
Larkur ist ein sehr pflichtbewußter Offizier.<br />
Bevor ich mich zu Bett lege, möchte ich dennoch in Kürze die Eintragung des heutigen Tages<br />
beenden, wer weiß, welche Schrecknisse morgen (oder heute nacht) geschehen mögen, die am<br />
morgigen Abend nach Eintragung verlangen? Auch ich bin ein sehr gewissenhafter Mensch.<br />
Es war Scudor Timenis, ein unscheinbarer Mieter aus dem zweiten Stock, den ich bisher in meinem<br />
Tagebuch noch nicht erwähnt habe, der fälschlich das von Mariannette Flambertin ausgespuckte Blut<br />
auflas, da er dachte, es handele sich um das von Penhaligon. Ich glaube, wenn Shivistri und ich nicht<br />
dazwischengegangen wären, hätte Yssa den armen Mann getötet. Wie war das noch: Dämonen reißen<br />
ihre Opfer in Stücke? Yssas Hände waren bedenklich gekrümmt, als stünde sie kurz vor einer<br />
Metamorphose...<br />
Kurz nach der Beschwörung wurde die Stadtwache verständigt, der Rest des Tages bestand aus<br />
Verhören und immer den gleichen, ermüdenden Fragen.<br />
Auf Eolyns Frage, ob für Xelesia Feheli noch Hoffnung bestünde, hatte die Sukkubus verneinend den<br />
Kopf geschüttelt, daß ihre roten Haare flogen.<br />
„Wenn er sie nicht gefressen hat, dann hat er sie irgendwo zwischen den Dimensionen in einer Nische<br />
oder Falte abgesetzt, wo sie wahrscheinlich elendig verhungern wird. Falls es dort Luft gibt.<br />
Ansonsten erstickt sie vorher,“ lautete ihre zynische Antwort. Ich hatte allerdings den Eindruck, als<br />
würde sie das Ganze nicht ganz so kalt lassen, wie sie tat. Plötzlich erwacht mein Mißtrauen wieder.<br />
Weshalb setzt sie ständig neue Masken auf? Vielleicht spielt sie nur mit uns allen... Wie waren die<br />
Worte meiner Mutter?<br />
„Leg Deinen Argwohn ab. Vertraue denen, die in den Mauern dieses Hauses sind, von ihnen droht dir<br />
kein Leid. Sie sind wie du nur Marionetten, auch wenn der eine oder andere glauben mag, er wäre<br />
mehr, vielleicht sogar der Puppenspieler. Wer immer an den Fäden zieht: er naht von außen.“<br />
Oder sie.<br />
Yssa Caerdonthiel ist keine von uns!<br />
Wie hatte ich Närrin das nur übersehen können?<br />
Sie war nur zu „Besuch“ bei Dimitri dem Studenten. Vielleicht ist sie diejenige, die an den Fäden<br />
zieht. Meine Hand zittert, wenn ich daran denke.Wer soviele Masken trägt, hat etwas zu verbergen...<br />
Andererseits... Marionetten. Mariannette.<br />
Natürlich, das ergibt einen Sinn. Die Dame in Rot ist die Puppenspielerin, wir tanzen an ihren Fäden.<br />
Die Frage ist nur: Was ist mit Yssa? Tanzt sie auch an den Fäden der Roten Zauberin? Oder ist sie<br />
ihre Verbündete? Ihre Vasallin?<br />
Mutter, warum sprichst du nicht zu mir?<br />
Zeig dich!<br />
Gib mir Antworten!<br />
...<br />
Nichts. Ich werde jetzt versuchen zu schlafen.<br />
Mutter, warum hast du mich verlassen?<br />
Nacht.<br />
Ich konnte nicht schlafen, von Alpträumen gequält, deshalb habe ich mir einen Morgenmantel<br />
übergezogen und sitze nun hier beim Schein einer Kerze vor meinem Tagebuch.<br />
Ich träumte, daß Yssa, die falsche Dirne, mich verführte und ich mich mit ihr im Bett in verwerflichen<br />
Spielen wälzte, und daß ich Gefallen daran fand... dann veränderte sich mein Traum, Yesil satnd vor<br />
mir und sagte mit trügerischem Lächeln: „Endlich habe ich dich gefunden, Atakuela“, dann umarmte<br />
sie mich, und plötzlich zog sie ein Messer aus ihrem Ärmel und schnitt mir die Kehle durch. Ich starb,