Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
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Erkenntnis - Thomas Peter Goergen<br />
sich herein und auf das Lager zu - und während Lanungo völlig entgeistert auf das Wesen starrte, das<br />
sich da nahte, hockte sich Den, ein wenig scheu, neben den Gast in seiner Höhle und zeigte ein<br />
glückliches Grinsen.<br />
Die Gaststube war zu dieser Zeit nur mäßig besucht. Vereinzelt trollten sich mehr oder minder<br />
zwilichtige Gestalten durch den halbdunklen Schankraum des „Totenschädels“. Vom Wirt war zur<br />
Zeit auch nichts zu sehen, allerdings polterte und rumorte es aus der Kellerluke hinter dem Tresen.<br />
Der graugrün geschuppte Echsenmann, an einem Nebentisch über ein Napf mit gepöckeltem Fisch<br />
gebeugt, schnoberte mit schwer durchschaubarem Zug um sein fransiges Maul an einem Krug mit<br />
Wasser. Dann und wann glitt seine Klaue in den Beutel an seiner Flanke, tastete dort herum - es<br />
mochte ein Seufzen sein, das schnorchelnde Geräusch, als er die Finger wieder hervorzog, sich wieder<br />
seiner Mahlzeit widmete...<br />
„Ihr?“ Der Sammler starrte den Nuu-Giik an, als hätte sich ihm in dessen Gestalt soeben die Untiefe<br />
von Macarok offenbart. Der pelzige Hüne kauerte aber nur da und schwieg, mal schweiften seine<br />
Augen dahin, dann dorthin. Er rieb sich die großen Hände, wippte in den Knien. Immer wieder<br />
musterte er den Atamanen mit verlegenem Grinsen.<br />
Sarjana stand etwas unschlüssig. Sie wollte etwas sagen, vermitteln - indes mußte sie sich<br />
eingestehen, daß sie sich ein wenig ängstigte, unbehaglich fühlte, sah sie diese Zusammenkunft<br />
zweier Wesen, die sie beide, ohne zu zögern, unheimlichsten Märchen hätte entspringen lassen... ein<br />
Atamane und ein Bärenmann, der Teufel und ein Ungetier... Wäre da nicht die seltsame -<br />
Menschlichkeit gewesen, als der Bär sie zu dem Lager des Fetaks? des Verwundeten geführt hatte,<br />
um den er sie sich zu kümmern geheißen hatte...<br />
Sarjana räusperte sich leise, drehte sich zum Eingang und wollte gerade gehen - als sie die die Blicke<br />
in ihrem Rücken spürte. Sie schaute zurück und sah die beiden, jeder mit einem jeweils so<br />
undurchschaubaren Ausdruck auf den so unterschiedlichen Gesichtern - aber beide sahen ihr,<br />
unzweifelhaft, mit einer gewissen Sanftheit nach... Sarjana lächelte und verließ wortlos die Höhle.<br />
„Sie ist eine gute Frau“, sagte Den, bewegte seinen Kopf der Heilerin nach. „Sie hat sofort geholfen!“<br />
Der Sammler hob kurz die Braue; es sah maskenhaft aus: „Sie wird entlohnt werden“, erwiderte er<br />
unbewegt.<br />
Den schüttelte den Kopf.“Sie wollte nichts, wirklich nichts - ich glaube, sie dachte, ich könnte ihr<br />
nichts geben...“ murmelte er.<br />
Der Sammler versteifte sich. „Ein Atamane“, knurrte er, „bezahlt seine Schulden! Das ist Gesetz!“<br />
Dann fragte er, was sich denn zugetragen habe, daß er sich jetzt hier, in dieser Höhle wiederfinden<br />
müsse.<br />
„Ihr wurdet überfallen“, erwiderte Den zögerlich.<br />
„Ich kann es mir mittlerweile denken! Von wem?“<br />
„Weiß ich nicht! Habe sie, es waren zwei, habe sie vertrieben“, und Stolz schwang in seiner Rede mit.<br />
„...zwei?“ Der Sammler schüttelte, von sich selbst angewidert, den Kopf. Zwei. „Und Ihr wart -<br />
zufällig - in der Nähe...?“ Ein zaghaftes Zähneblecken war die Antwort.<br />
„Ah“, machte der Sammler nur. Und er senkte den Blick. Seine Finger spielten unmerklich mit dem<br />
Saum seines Mantels. Ein leichte Verspannung drückte seinen Nacken, trotz der weichen Liegestätte,<br />
welche jedoch, was ihm bisher eigentlich entgangen war, sogar angenehm und würzig duftete. Er<br />
richtete seine Gedanken auf die lästige Stelle des Nackens und spürte sofort, wie die Muskeln sich<br />
lösten.<br />
Er zuckte auf, als ihn etwas berührte. Den zog die grobe Hand hastig zurück. Wieder diese<br />
Verlegenheit. „Nun“, fragte der Sammler, sehr kalt, sehr beherrscht, „was ist denn?“ Es war so<br />
abstoßend, wie er es auch wollte. Allein, der Nuu-Giik schüttelte nur langsam den breiten Schädel.<br />
Als er wieder sprach, klang seine tiefe Stimme verwirrt und kleinlaut: „Ich habe damals“, sagte er,<br />
„gar nicht wirklich - nicht geschafft, Euch wirklich den - meinen Dank...“<br />
Da aber! sank der Atamane in sich zusammen, schlug die Hände vor sein Gesicht und erzitterte: „Ihr<br />
beschämt mich!“ rief er nahezu entsetzt, „Ihr beschämt mich!“ Der Nuu-Giik kippte erschrocken nach<br />
hinten, als der Sammler in einen wehklagenden, schwingenden Sprechgesang verfiel - „Aber - oh - ich<br />
wollte...“<br />
„Nein, nein!“ rief der Sammler. Er warf verzweifelt den Umhang über sein Haupt. „Mein Leben<br />
verdanke ich Euch...“