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Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler

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Totentanz - <strong>André</strong> <strong>Wiesler</strong><br />

Das Wesen rannte über ihn hinweg, preßte ihn mit unglaublichem Gewicht auf den Boden und die<br />

Luft aus seinen Lungen. Mit einem lauten Krachen schloßen sich die Zähne des Wesen um den durch<br />

die Luft wirbelnden Kasten. Mit einem Sprung war das Wesen in einem weiteren Loch<br />

verschwunden. Gutram atmete stoßweise, war totenbleich und Schweiß rann in dicken Strömen seine<br />

Schläfen herunter. Er kämpfte sich auf die Beine, schaute Mitarra an und sah auch in ihren Augen<br />

Panik. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, wußten sie, was zu tun war. Sie drehten sich um und<br />

rannten, kletterten so schnell sie konnten die Wand hoch und rutschten den Tunnel fast hinunter. Erst<br />

als sie wieder in den Gängen von Hesvites Schatten waren, hörten sie auf zu rennen.<br />

Das fünfte Band<br />

Die klagende Stimme einer Geige mischten sich mit dem Geheul des Winterwindes zu einer<br />

Symphonie der Melancholie. Schnee fiel in dicken Flocken zu Boden, wehte an der kleinen Höhle<br />

vorbei, in die sich Kareç vor dem Unwetter geflüchtet hatte. Ein kleines Feuer flackerte in der Mitte<br />

der Höhle und spendete klägliche Wärme und nicht viel mehr Licht. Aber das machte Kareç nichts<br />

aus. Er war diese Umstände gewohnt, ja suchte sie sogar manchmal, wenn die Sehnsucht nach seinem<br />

Heimatland ihn wieder verzehrte. An solchen Tagen stieg er hier hinauf in die Berge, spielte seine<br />

Geige und genoß das Alleinsein.<br />

Während die letzten Töne seines Spiels noch von den Wänden der Höhle, die sich hinter ihm noch<br />

weit in den Berg erstrecken mußte, wiederklangen, legte er die Geige zur Seite und drehte den Braten<br />

des kleinen Hasens an dem Spieß langsam herum.<br />

Er spürte ein menschliches Bedürfnis nach Auslaß verlangen. Um seine Lagerstadt nicht zu<br />

beschmutzen, trat er in den Sturm hinaus und erleichterte sich eilig.<br />

Als er in die Höhle zurücktrat, sah er gerade noch einen Schatten im Dunkel verschwinden.<br />

Blitzschnell hatte er ein Messer in der Hand, doch was immer es war, es war zu schnell wieder weg.<br />

Mit den Schultern zuckend ging Kareç zurück zum Feuer. Er würde halt darauf hoffen müßen, das<br />

dieses Wesen nicht wiederkam.<br />

Als er sich dem Braten zuwenden wollte, mußte er erschrocken feststellen, daß er weg war. Kein<br />

Grund also für den Dieb, noch einmal wiederzukommen, immerhin hatte er ein Abendessen. Im<br />

Gegensatz zu Kareç. Als sein, nun noch dunkler gewordener Blick über den steinigen Boden der<br />

Höhle schweifte, blieb er an einem schimmernden Gegenstand hängen. Was war das? Sicher nichts,<br />

was er mitgebracht hatte. Vorsichtig erhob er sich und ging hinüber. Bei einem zweiten Gedanken<br />

griff er nach einem der brennenden Äste.<br />

Der Gegenstand entpuppte sich bei näherer Betrachtung als goldverzierter Kasten, mit kleinen Figuren<br />

darauf. Kareç zog erneut eines seiner Messer und stuppste den Kasten an. Nichts besonderes daran,<br />

scheinbar. Er tippte ihn mit einem Finger an, zog ihn aber vorsichtshalber schnell wieder zurück. Das<br />

war ja mal etwas ganz Neues. Ein Dieb aus den Tunneln, der für seine Mahlzeiten bezahlte. Und<br />

großzügig wie es aussah. Aber seinen Hunger stillte das im Moment auch nicht.<br />

„Und ich soll das Ding für dich verkaufen?“ Corwin blickte Kareç verdutzt an. Er mußte sich erst<br />

daran gewöhnen, daß ihm jemand so einfach vertraute. Aber noch mehr verwirrte es ihn, daß er nicht<br />

mal mit dem Gedanken spielte, Kareç zu betrügen. Das war ihm noch bei keinem so gegangen. Das<br />

war es wohl, was man Freundschaft nannte. Seltsames Gefühl!<br />

„Ja!“, antwortete Kareç, „Du hast Kontakte und Freunde in der Stadt.“<br />

„Und es lag einfach so da? Einfach so?“<br />

„Wenn ich es Dir doch sage!“<br />

Corwin drehte den Kasten, der früher sicher einmal wirklich prachtvoll gewesen sein mußte, bevor<br />

irgendetwas seine Zähne ins Holz geschlagen, irgendjemand einem der Tänzer einen Arm<br />

abgebrochen und etwas einen tiefen Kratzer auf der Seite hinterlassen hatte. Trotzdem sollte der<br />

Materialwert Einiges sein, mindestens 5 oder 6 Goldsonnen. Aber was war denn das? Da war doch<br />

tatsächlich eine Schublade in dem Kasten.<br />

„Wollen doch mal sehen, was in dieser Schublade ist. Muß ja was Wertvolles sein, warum sollte sonst<br />

jemand drei Metallbänder darüber spannen?“<br />

Kareç blickte Corwin mißtrauisch an: „Und wenn es, naja, irgendwie magisch...?“<br />

Corwin hob beruhigend die Hand. „Wird schon nicht!“<br />

Er blickte sich einmal mehr um im Totenkopf. Natürlich konnte er nicht stillsitzen, Corwin konnte nie<br />

irgendetwas in Ruhe tun.

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