Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
Elek-Mantow: Zyklus 3 - André Wiesler
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Erkenntnis - Thomas Peter Goergen<br />
die Höhe, wie ein emporzüngelnder Feuerstoß, und etwas buntes blinkte darin - dann schnellte die<br />
Faust hernieder, es splitterte auf seiner Hand.<br />
Fast sofort sank er halb ohnmächtig vor Schmerz zu Boden, und sein kostbarer Säbel klirrte umher:<br />
seine Hand, seine Hand, seine rechte Hand. War rohes Fleisch. Brandrotes, rohes Fleisch,<br />
überwuchert von Schwären, die lebendig schienen! Denn sie fraßen sich weiter, durch weißrotes<br />
Fleisch - ein unablässiger, weiterbrennender Schmerz, der das Fleisch nicht absterben ließ,<br />
weiterschmerzte wie im ersten Augenblick - meine Hand, o meine Hand - „Selefra!!“ schrie der Mann,<br />
lange und gequält; dann endlich schwanden ihm die Sinne.<br />
Den starrte auf seinen Jäger, der reglos im Staub der Straße zusammengebrochen war. Das blaue<br />
Gesicht war schmerzverzerrt, hatte eine leicht gräuliche Färbung angenommen. Die rechte Hand zur<br />
Klaue verkrampft, war diese ein fast entfleischtes, zischendes Ding und vorsichtig näherte sich Den...<br />
„Nicht anfassen!“, kam es scharf von hinten. Den zuckte zurück.<br />
Der Sammler betrachtete ihn nachdenklich, wobei er seinen großen Augen ein wenig das<br />
Unerträgliche nahm, indem er leicht die Lider senkte. Nach einer Weile, unvermittelt, lächelte er dann<br />
gleichgültig und wandte sich ab. „Diese Stadt scheint nichts für Euch zu sein, Cer Anq'ushaq“,<br />
bemerkte er noch, zügig die Gasse hinunterschreitend. Doch für Den war die Sache damit nicht<br />
erledigt: „Wartet doch“, stieß er hervor und rappelte sich hoch - bald hörte Lanungo sein eiliges<br />
Stapfen näherkommen, was ihn dazu veranlaßte, seinen Schritt zu beschleunigen. Nichtsdestotrotz<br />
holte ihn der Nuu-Giik, der seine Aufholjagd mit lautem Rufen, „Halt!“ „Wartet doch!“ „Holla, halt!“,<br />
begleitet hatte, eine halbe Pfeilweite später ein: „Bitte, Herr...“ brachte er hervor. „Buzecchia“,<br />
ergänzte Lanungo, ohne zu verlangsamen. „Lanungo Buzecchia, Sammler im Jahre der goldenen<br />
Otter, Meisterer der fünften Herausforderung. Pantuino!“<br />
„Was? Ich...“<br />
„Lebt wohl!“ Das war schon nahezu unfreundlich, und Lanungo seufzte auf. Also hielt er an und<br />
wandte sich seinem Verfolger zu. „Was kann ich sonst noch...“<br />
„O nein, nein“, Den war jedenfalls im höchsten Maße verwirrt, er wollte dem Blutswanderer doch gar<br />
nichts tun, große Mutter, „Ihr wart, sage mal, ach...“ Der Sammler beäugte ihn mit hochgezogener<br />
Braue, was bei diesen Augenbrauen etwas Maskenhaftes mit sich brachte. Der Nuu-Giik baute sich<br />
vor ihm auf, ein mächtiger Kerl, den man sich in den hilflosen Lagen der letzten Zeit so gar nicht<br />
vorstellen konnte, und seine riesigen Hände („Tatzen!“) winkten vor Lanungos Nase herum. Aber die<br />
gutmütigen, honigbraunen Augen blickte so verwundert und ratlos, daß der Sammler sich bei der<br />
Überlegung ertappte, er müsse gegenüber diesem Bären etwas entgegenkommender sein. Wie<br />
aufgeregt dieses Wesen ist.<br />
„Bitte, ich bitte Euch“, unterbrach er den Worteschwall des anderen. „Ich war Euch gerne behilflich,<br />
es besteht kein Anlaß, daraus eine Angelegenheit größeren...“ - o Gottes Werk, er schaut noch ratloser<br />
drein - „Keine Ursache, und viel Glück“ und mit diesen hastig-gelächelten Worten eilte Lanungo<br />
wieder los.<br />
„Aber ich möchte, ich will...“, Den verstand keineswegs, warum der Rote ihm erst das Leben rettete<br />
und ihm dann soviel Aufmerksamkeit schenkte wie einem verlorenen Kiesel in einem Bergbach, aber<br />
dennoch würde er ihn das zweite Mal nicht so einfach wieder ziehen lassen. „Wie kann ich Euch...“<br />
„Bitte!“ Als der Sammler sich erneut um-, seinem hartnäckigen Freund zuwandte, war sein Tonfall<br />
schärfer und in seinen Augen funkelte es. „Bitte! Ich bin ein vielbeschäftiger Mann...“<br />
„Den Aloumenn-Vioù!“<br />
„Was bitte?“<br />
„Mein Name, ich heiße Den“, wiederholte Den, aufgeregt und etwas unsicher, schließlich war ihm<br />
durchaus nicht entgangen, daß der Blutswanderer, warum auch immer, inzwischen fast gereizt und<br />
verärgert war: was machte er nur falsch? Diese Gespenster waren noch - schwieriger als der Rest der<br />
Welt...<br />
Lanungo entschied soeben, daß es das beste wäre, dem Nuu-Giik Gelegenheit zu geben sich zu<br />
bedanken, um so letzlich von ihm loszukommen. „Also - Den“, sagte er, und wurde mit einer Art<br />
erfreutem Grinsen für sein wohlmeinendes Vorgehen belohnt, „Den, ich - Cer Vioù, ich freue mich,<br />
Euch behilflich gewesen zu sein und Euer freundlicher Dank ehrt mich; er ist Ausdruck sehr<br />
vornehmer Geisteshaltung. Keineswegs dürft Ihr mich nun dahingehend verstehen, daß mir Eure<br />
Gesellschaft und Eure Dankbarkeit nicht willkommen wären (o Gottes großes Werk!), allein fehlt mir<br />
unseligerweise die Zeit und Muße, unser Gespräch...“<br />
„Gespräch?“ warf Den, jetzt vollends verstört, in die Rede ein.