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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Dieser Beitrag beschreibt den schwierigen und langwierigen Prozess meiner<br />

Bemühungen um Akteneinsicht im Kontext der Veröffentlichung des<br />

Buches Das Amt und die Vergangenheit 3 . Durch die dort formulierte scharfe<br />

Kritik an der Archivpolitik des AA hat die Unabhängige Historikerkommission<br />

der Debatte um den Umgang deutscher Bundesbehörden mit amtlichen Dokumenten<br />

und Informationen neuen Schwung verliehen. Die Diskussion<br />

könnte einen Paradigmenwechsel im Umgang von Behörden und Archiven<br />

mit Akten hin zu forschungsfreundlichen Zugangsbedingungen und mehr<br />

Behördentransparenz einleiten – auch wenn die Widerstände gegen eine<br />

Aufgabe von historischer Deutungsmacht in den Behörden groß sind.<br />

Die Deutungsmacht der Akten<br />

Selektive Aktenfreigabe als politische Intention<br />

Behörden tendieren dazu, ihre eigenen Akten unter Verschluss zu halten, da<br />

sie so die Deutungshoheit über die Geschichtsschreibung monopolisieren.<br />

Potentiell herrschaftsgefährdende Informationen werden somit der Wissenschaft<br />

und Öffentlichkeit vorenthalten, bis die Verantwortlichen für Amtsvorgänge<br />

nicht mehr in der Behörde tätig oder verstorben sind beziehungsweise<br />

die Vorgänge als solche nicht mehr politisch relevant sind. Gleichzeitig<br />

werden nach einem politischen Systemwechsel die Akten der Vorgängerbehörde<br />

gerne über die gewöhnliche Praxis hinweg freigegeben, da eine solche<br />

Offenlegung der Vergangenheit als der eigenen Position ungefährlich<br />

oder gar förderlich betrachtet wird. Gleiches gilt für eine positive Selbstdarstellung<br />

durch Offenlegung beispielsweise vor Wahlen.<br />

Die folgenden Beispiele weisen auf diese Herrschaftspraxis hin: Die USA<br />

gaben die Akten, die sie nach Kriegsende aus dem AA in Berlin mitgenommenen<br />

hatten, erst zurück, nachdem Staatssekretär Hallstein zugesichert<br />

hatte, diese Akten jederzeit in- und ausländischen Forscher_innen zur Verfügung<br />

zu stellen. 4 Die Akten des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR<br />

können bei der Stasi-Unterlagen-Behörde (BStU) seit Januar 1992 eingesehen<br />

werden und unterliegen nicht dem Bundesarchivgesetz (BArchG), sondern<br />

dem eigens geschaffenen Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG), das keine »Schutzfrist«<br />

vorsieht. Kurz vor den Bundestagswahlen 1998 entsperrte das Bundeskanzleramt<br />

mehr als 400 selektierte Verschlusssachen(VS)-Dokumente aus<br />

den Jahren 1989/90, um damit die Rolle Kohls bei der Wiedervereinigung<br />

3 Eckart Conze; Norbert Frei; Peter Hayes; Moshe Zimmermann: Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche<br />

Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik, München 2010.<br />

4 Astrid M. Eckert: Kampf um die Akten. Die Westalliierten und die Rückgabe von deutschem Archivgut nach<br />

dem Zweiten Weltkrieg, Stuttgart 2004, S. 429.<br />

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