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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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›gleiche Wellenlänge‹ hat und immer da ist, wenn man sie braucht. Andererseits<br />

wurde häufig die Funktion des gemeinsamen Zeitvertreibs thematisiert.<br />

Dabei werden die gemeinsamen Aktivitäten als etwas Besonderes, nicht Alltägliches<br />

dargestellt, wodurch sie sich wiederum von Aktivitäten mit dem/<br />

der Partner_in oder der Familie unterscheiden. Darüber hinaus spielen<br />

Freund_innen eine wichtige Rolle für das Selbstwertgefühl und die soziale<br />

Identität der Person. Freund_innen werden als Personen beschrieben, mit<br />

denen man selbst vergleichbar ist. Freundschaftsbeziehungen stellen ein soziales<br />

Spiegelbild der Person und damit einen wichtigen Maßstab für die soziale<br />

Selbstverortung des Individuums dar. Allerdings erscheint eine finanzielle<br />

Unterstützung durch Freund_innen eher untypisch. Zum einen verfügen<br />

auch sie zumeist nicht über die notwendigen finanziellen Ressourcen, um<br />

unterstützend wirken zu können. Zum anderen entstünde damit eine quantifizierbare<br />

›Schuld‹, ein Ungleichgewicht, welches die Beziehung in der<br />

Wahrnehmung der Befragten in Frage stellen würde. Insofern hört tatsächlich<br />

beim Geld die Freundschaft auf. Anders ist dies jedoch im Falle von materiellen<br />

und alltagspraktischen Leistungen, die auf die besonderen Eigenschaften<br />

einer Person verweisen. Die Erwartung einer gleichwertigen<br />

Gegenleistung besteht hier in der Regel nicht, sondern die ausgetauschten<br />

Leistungen orientieren sich an der Wertschätzung und dem situativen Bedarf<br />

des Gegenübers. Die Leistung gewinnt dabei in ihrem Verweis auf die Beteiligten<br />

als ganz besondere Personen eine einzigartige Bedeutung und bestätigt<br />

auf diese Weise die Beziehung. Dazu folgendes Zitat aus dem Sample:<br />

»Die Form find ich eigentlich am schönsten – gegenseitige Hilfe. Das find<br />

ich am besten, weil man gibt ‘n Stück von sich, man nimmt ‘n Stück von dem<br />

anderen und – das funktioniert halt irgendwie. Was weiß ich, jetzt zum Beispiel<br />

für den einen Freund, der Krankenpfleger, der geht halt auch gerne mal<br />

zu ‘ner Techno-Party so. Dann arbeite ich halt mal ‘n Tag lang da im [Club],<br />

um mir ‘n Gästelistenplatz zu organisieren, und schreib ihn dann halt da mit<br />

drauf, weil ich weiß, auf ihn kann ich mich verlassen, er ist auch für mich da,<br />

wenn ich ihn brauche, und so ist das halt so dieses, dieses Geben und Nehmen.<br />

Das ist halt ganz wichtig. [...] So macht’s Leben auch mehr Spaß eigentlich.<br />

Ohne das blöde Geld. Aber, na, das gehört halt auch dazu, das Geld, das<br />

liebe.« (Herr Wagner, 29 Jahre)<br />

Geld drückt hier eine Beliebigkeit aus, die der Besonderheit freundschaftlicher<br />

Beziehung entgegensteht. Es ist eine ›Entzauberung‹ der Freundschaftsbeziehung.<br />

Zugleich verweist das Zitat auf die Erwartung eines ›Gebens<br />

und Nehmens‹ in Freundschaften, die von fast allen Befragten explizit<br />

hervorgehoben wurde: Die Beziehung zur anderen Person soll sich in einem<br />

Zustand des relativen Gleichgewichts befinden, in dem keine einseitigen Abhängigkeiten<br />

und uneingelösten Verpflichtungen bestehen. Jedoch scheint<br />

sowohl hinsichtlich der Frage, wie lange eine Verpflichtung legitimerweise<br />

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