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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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die konzeptionell Methoden und Erkenntnisse aus der Ethnologie und der<br />

Psychoanalyse verbindet. 5 Sie versuchten, vom Gegebenen auszugehen und<br />

die von den BewohnerInnen auf sozialer, medizinischer, politischer, religiöser<br />

oder juristischer Ebene präsentierten Probleme (nach Marcel Mauss die<br />

»totalen« Dimensionen des Menschen 6 ) in erster Linie wahrzunehmen. 7<br />

Neben aktiven fürsorgerischen Handlungen (zum Beispiel Hilfe bei der<br />

Anmeldung zu einem Beschäftigungsprogramm) schien insbesondere das<br />

Anerkennen der prekären Bedingungen, mit denen die Asylsuchenden konfrontiert<br />

waren, einen bedeutenden Effekt auf die jeweilige Lebenssituation<br />

der BewohnerInnen zu haben. So schreiben Elena Wetli und Danielle Bazzi:<br />

»Menschen in Krisensituationen zu begleiten, heißt zunächst einmal ihre<br />

Ohnmacht wahrzunehmen und sie gemeinsam eine Weile auszuhalten. Das<br />

Aushalten und Mittragen, das Wahrnehmen und Wissen, stellt die Anerkennung<br />

der inneren Dimension des Migrantenschicksals dar, und ist etwas, das<br />

wirkt!« 8<br />

Im Rahmen meiner Dissertationsforschung 9 untersuche ich unter anderem<br />

die Wirkung des vom EPZ angewendeten Ansatzes auf die KlientInnen.<br />

Hierbei geht es mir nicht um ein katamnestisches Verfahren, also nicht um<br />

die Skizzierung des jeweiligen Gesundungsprozesses und einer Symptomüberprüfung,<br />

wie sie ein rein psychologischer Blickwinkel nahelegen würde.<br />

Das Ziel ist vielmehr die Erforschung der subjektiven Sicht der BewohnerInnen<br />

auf ihren Aufenthalt und ihre Betreuung.<br />

Im Folgenden werde ich mich insbesondere dem Aspekt der Verständigung<br />

im Interviewprozess widmen. Nach grundsätzlichen Überlegungen<br />

zur Sprache als machtvollem Instrument in der Forschung mit Asylsuchenden<br />

möchte ich anhand der Begegnung mit Frau Tekin 10 , einer ehemaligen<br />

5 In Anlehnung an die ethnologische Methode der »teilnehmenden Beobachtung« (Malinowski) beschreiben<br />

die MitarbeiterInnen ihre Arbeit auch als »an-teilnehmende Beobachtung«. Psychoanalytisch orientierten sie<br />

sich an den Konzepten des »holdings« sowie des »Übergangsraums« (Winnicott) und des »containments«<br />

(Bion). Im Rahmen der psychoanalytisch orientierten Supervision wurde auch der Bearbeitung von Ȇbertragungs-<br />

und Gegenübertragungsphänomenen« (Freud) eine große Bedeutung zugesprochen. Vgl. Christoph<br />

Ackermann; Peter Burtscher; Amr Mohamed; Heidi Schär Sall; Alexander Sölch; Daniel Stutz; Elena<br />

Wetli; Regina Zoller: Das Therapie- und Betreuungsmodell des EPZ sowie Standards für die niederschwellige<br />

Betreuung und Therapie psychisch kranker und traumatisierter Personen des Asylbereichs. Studie im<br />

Auftrag des Bundesamtes für Flüchtlinge – BEF, Bern-Wabern, Zürich 2003.<br />

6 Vgl. Marcel Mauss: Die Gabe. Form und Funktion des Austausches in archaischen Gesellschaften, Frankfurt<br />

am Main 1968.<br />

7 Vgl. Ackermann et al. 2003 (s. Anm. 5).<br />

8 Danielle Bazzi: Asyl geben. Ein Nachwort. In: Ninck Gbeassor et al. 1999 (s. Anm. 4), S. 134.<br />

9 Aufgrund der unter Anm. 1 skizzierten Probleme war ich gezwungen, mein ursprüngliches Forschungskonzept<br />

immer wieder zu überdenken und den veränderten Bedingungen anzupassen. Die geplante teilnehmende<br />

Beobachtung des Betreuungsalltags musste bereits zu Beginn des ersten Forschungsaufenthaltes<br />

aufgegeben werden. Aus den gegebenen Umständen entwickelte sich die Idee, den EPZ-Ansatz zu rekonstruieren<br />

und seine Wirkung maßgeblich über die unterschiedlichen Gespräche mit KlientInnen, MitarbeiterInnen<br />

des EPZ und Personen des politischen und institutionellen Umfelds kennenzulernen, nachzuvollziehen<br />

und zu analysieren. Von November 2005 bis Mitte 2007 habe ich bei mehren Aufenthalten in Zürich 30<br />

Interviews geführt und versucht, dabei auch die veränderten politischen Bedingungen und die Wechsel der<br />

Betreuungsformen (von einem stationären zu einem ambulanten Angebot) aufzunehmen.<br />

10 Name, Herkunft und Aufenthaltsdauer meiner Gesprächspartnerin wurden anonymisiert.<br />

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