02.12.2012 Aufrufe

Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Darüber hinaus wird die historische Interaktionslogik an die Herausforderungen<br />

der multiplen Krebserkrankungen angepasst. Auf der Basis einer<br />

Orientierung an den Prämissen Reziprozität, Arbeitsleistung und familiäre<br />

Privatsphäre entstehen Gesundheitsleitlinien zum Umgang mit Krebs, die<br />

aus der familial aufgewerteten Tradition Johannas und der familial abgewerteten<br />

Karl-Herberts resultieren.<br />

Gesundheitsikone Johanna: Gesundheitsfeindbild Karl-Herbert:<br />

vorbildliches Verhalten abgelehntes Verhalten<br />

Leistungsorientierung und -pflicht passiver Kontrollverlust<br />

(Vorsorge!): folgsamer Pragmatismus offensichtliches Leiden<br />

und Leidenschaftslosigkeit<br />

Veröffentlichungsverbot Veröffentlichungsgebot,<br />

Chance zur öffentlichen Anerkennung<br />

altruistische Familiensolidarität Egoismus<br />

und Reziprozität<br />

Ausgehend von diesen Prinzipien der Interaktionslogik (vor allem der Vorsorgeorientierung<br />

und der Verantwortungsübernahme), die insbesondere<br />

von den Kindern gefordert und zum Teil auch erfüllt wurden, sowie von der<br />

strukturellen Entwicklung innerhalb der Familie SSB lassen sich Aussagen<br />

zum damaligen Familiensystem machen. Einerseits führt die Beurteilung der<br />

Kohärenzdimension zur Feststellung einer hohen familialen Verstrickung,<br />

da generationale Grenzen überschritten werden und die Bindung an ein ›familiales<br />

Innen‹ betont wird. Die Krebserkrankung führt folglich zur Entfaltung<br />

zentripetaler Kräfte. Leitlinie der Familienorganisation – die sogenannte<br />

Leitdifferenz – ist Bezogenheit, nicht Autonomie. Andererseits ist das<br />

Familiensystem durch eine relative Starrheit und geringe Adaptabilität gekennzeichnet,<br />

da das traditionelle familiäre Handlungsrepertoire lediglich<br />

leicht verändert auf die neue Situation angewandt und kaum durch neue,<br />

adäquatere Handlungsansätze ergänzt wird. Als allgemeines Handlungsziel<br />

kann die Stabilisierung der Familie konstatiert werden, die sich im Speziellen<br />

in dem Bemühen realisiert, die Familie ›gesund‹ zu halten. Damit wird<br />

Gesundheit zu einem in der Familie organisierten Gut. Hohe Kohärenz und<br />

geringe Adaptabilität ermöglichen jedoch gleichzeitig die Ausbildung von<br />

›Pufferzonen‹, um einen individuellen Handlungs- und Deutungsraum zu<br />

gewährleisten, ohne das Familiensystem zu gefährden. Dadurch wirkt das<br />

427

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!