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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Ab 2004: die BRCA-positive Familie<br />

Ein erster prädiktiver molekulargenetischer BRCA1-Test erbringt 1999 ein<br />

negatives Ergebnis bei Johanna und damit der gesamten Familie SSB. 2003<br />

wird der Familie SSB der BRCA2-Test angeboten. In Kleingruppen gehen die<br />

SSBs nacheinander zum Test, der bei Johannas Tochter Anke sowie bei Lydias<br />

Kindern Lisa und Daniel positiv ausfällt. Anke konzentriert nach<br />

kurzem Schock ihre Aufmerksamkeit auf die Durchführung einer prophylaktischen<br />

Eierstockentfernung und beginnt mit der intensivierten Früherkennung.<br />

Im Gegensatz dazu wird die eigentlich test- und wissensunwillige<br />

Lydia am Tag, nachdem ihren Kindern die positiven Resultate mitgeteilt<br />

wurden, von ihrer Tochter Lisa von deren positivem BRCA-Status in Kenntnis<br />

gesetzt. Damit ist Lydia klar, dass auch sie BRCA-positiv sein muss. Lydia<br />

holt den BRCA2-Test nach, um auch zur intensivierten Früherkennung<br />

zugelassen zu werden. Sie lässt sich schließlich, wie ihre Schwester Anke, die<br />

Eierstöcke entfernen. Ab Herbst 2004 fahren Anke, Lydia und Lisa gemeinsam<br />

zu den Früherkennungsuntersuchungen, was von ihnen als »Ausflug« 15<br />

beschrieben wird.<br />

Familiale Konsequenzen<br />

Die vertikale Umorientierung der familialen Beziehungsstruktur von der<br />

väterlich-männlichen zur mütterlich-weiblichen Traditionslinie, die bereits<br />

durch die familieninterne Bestimmung des ›Krebsfluchs‹ als familial relevante<br />

Verkörperung eingeleitet wurde, wird durch den positiven BRCA2-<br />

Test bestätigt. In der horizontalen Perspektive findet eine Wandlung des<br />

›Krebsmatriarchats‹ statt: Der Teil der Verwandtschaft, der (auch) im Alltag<br />

durch Besuchs- und Arbeitsroutinen erlebbar ist und als Familie adressiert<br />

wird, wird nun durch den Status BRCA-positiv bestimmt. Damit findet eine<br />

Verbreiterung der familialen Betroffenheits- bzw. Bezugsstruktur statt, da die<br />

Zuspitzung auf eine aktuell von Krebs ›betroffene‹ Frau zugunsten einer<br />

Fokusausweitung auf mehrere potenziell ›betroffene‹ BRCA-positive Frauen<br />

aufgegeben wird. Aus dem ›Krebsmatriarchat‹ wird die BRCA-positive<br />

Familie.<br />

15 Familieninterview, S. 8.<br />

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