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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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keine unabhängige Wirklichkeit wiedergeben, sondern erst durch den Prozess<br />

des Schreibens und Forschens hervorgebracht werden. Diese Verschiedenheit<br />

der textuellen Repräsentation unterschiedlicher Erfahrungen und<br />

damit auch die Rolle der Forscher_innen im Feld – sowie deren Einfluss auf<br />

das untersuchte Feld – werden in ethnografischen Forschungsarbeiten seit<br />

mehr als zwei Jahrzehnten thematisiert, offengelegt und reflektiert. 24<br />

Das Nachdenken über Repräsentation und Legitimation von Forschung<br />

korrespondiert mit Debatten, die im Umfeld der herrschaftskritischen dekonstruktivistischen<br />

Queer Theory geführt werden. Gerade wenn man sich<br />

aus queertheoretischer Perspektive auf empirisches Terrain wagt, eine Verknüpfung<br />

von Queer Theory und Praxis sucht, ist man plötzlich mit ganz<br />

neuen Problematiken konfrontiert und muss überlegen: Was bedeutet es eigentlich,<br />

mit einem queeren Blick zu forschen, was ist studying queer? Zu diesen<br />

Fragestellungen gibt es für die queer-feministische Methodologie interessante<br />

Anregungen und Überlegungen in der Europäischen Ethnologie, die<br />

fruchtbar gemacht werden können. 25 Gleichzeitig bin ich der Auffassung,<br />

dass insbesondere die Herrschafts- und Wissenschaftskritik, die von der<br />

Queer Theory ausgeht, eine wichtige Erweiterung des ethnografischen Blickes<br />

sein kann. Queere Ansätze problematisieren viel stärker Kategorienbildung<br />

und die Vielzahl der Ordnungen, die sich in Wissenschaft und Alltag eingeschrieben<br />

haben. Ausblendungen, Normalisierungen und Ausschlüsse könnten<br />

so sichtbarer gemacht, politische Dimensionen akademischen Schreibens<br />

aufgedeckt werden, und es könnte vor allem eine geschlechtersensible Forschungspraxis<br />

angeregt werden. Wie das konkret in einer ethnografischen<br />

Forschung aussehen kann und welche Fragen sich dabei entwickeln, möchte<br />

ich im Folgenden erläutern.<br />

Feldforschung als queere Forschungspraxis?<br />

Für meine (Feld-)Forschung unter queerer Perspektive bedeutet dies, dass<br />

meine Beziehung zu den Protagonist_innen und zu meinem Forschungsthema<br />

an sich schon eine wichtige und interessante Datenquelle ist. Die Akteur_innen<br />

im Feld sind nicht »rohe«, prätheoretische Quellen der Praxis,<br />

sondern vielmehr aktive Produzent_innen ihrer eigenen Interpretationen,<br />

die mit den meinen konkurrieren. Deshalb geht es mir in meiner Arbeit vor<br />

allem darum, Innenperspektiven und Positionierungen der Repräsentant_innen<br />

offenzulegen, sie als handelnde, nicht als passive Personen zu erfassen.<br />

Eine harmonische, dialogische Forschung ist jedoch auch ein Idealbild<br />

von Feldforschung. Meist kommt es durchaus zu Problemen und<br />

24 Vgl. Saukko 2003 (s. Anm. 14); Denzin 1997 (s. Anm. 23).<br />

25 Ich denke hier vor allem an Überlegungen zu Reflexivität, Subjektivität und Validität.<br />

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