02.12.2012 Aufrufe

Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

today – from society’s macro level through to individuals’ micro level – have<br />

become transcultural. The old concept of culture misrepresents cultures’<br />

actual form, the type of their relations and even the structure of individuals’<br />

identities and lifestyles. Every concept of culture intended to pertain to<br />

today’s reality must face up to the transcultural constitution.« 30<br />

Wie verortet sich die Ethnologie als Wissenschaft vom »kulturell Fremden«,<br />

die vornehmlich Texte über »den Anderen« produziert, in dem Zusammenhang<br />

von Kultur, Transkulturalität und Machtverhältnissen?<br />

Agency als Deutungsmacht und die Rolle der Ethnologie<br />

Die sogenannte Writing-Culture-Debatte rüttelt seit den 1980er Jahren an den<br />

Grundfesten der Disziplin. Es geht um die Frage, ob und wie das Fremde in<br />

den Kategorien des Eigenen angemessen dargestellt werden kann. Darüber<br />

hinaus wird die Beziehung zwischen Forscher_in und Beforschten reflektiert,<br />

also nicht nur die Repräsentation der Ergebnisse, sondern auch die<br />

Phase der Datenerhebung, die Feldforschung. Ausgangspunkt dieser Reflexion<br />

ist die grundsätzlich zwischen Forscher_in und Beforschten bestehende<br />

Asymmetrie, die zugleich die jeweilige Handlungsmacht (Agency) der beteiligten<br />

Akteure bestimmt und begrenzt.<br />

»Die kulturelle Aneignung des Anderen ist in einen spezifischen Interaktionszusammenhang<br />

verwoben, der, wie im Fall der kolonialen und postkolonialen<br />

Verhältnisse besonders offensichtlich, von Beziehungen politischer<br />

und ökonomischer Herrschaft und Abhängigkeit beziehungsweise Unterdrückung<br />

strukturell geprägt ist.« 31<br />

Als sich die Ethnologie in den Zeiten der Aufklärung und des Kolonialismus<br />

als eigenständiges Fach etablierte, bestand ihre Aufgabe darin, Informationen<br />

über unbekannte Andere zu sammeln und zu ordnen. Die sogenannte<br />

Globalisierung und die Emanzipation der ehemaligen Forschungsobjekte<br />

haben den ursprünglichen Gegenstand des Fachs gründlich in Frage gestellt.<br />

32 Über lange Zeit als selbstverständlich hingenommene Fremdbilder<br />

wurden spätestens mit der Erstveröffentlichung von Saids Orientalism 33 und<br />

der sich anschließenden Diskussion als exotisierende Konstruktionen entlarvt.<br />

In den 1970er und 80er Jahren, der Blütezeit der postmodernen Reflexion,<br />

wurde die Beziehung zwischen Forscher_in und Beforschten dann<br />

30 Wolfgang Welsch: Transculturality: the puzzling form of cultures today. In: Mike Featherstone; Scott Lash:<br />

Spaces of Culture: City, Nation, World, London 1999, S. 194-213.<br />

31 Eberhard Berg; Martin Fuchs: Kultur, soziale Praxis, Text. Die Krise der ethnographischen Repräsentation,<br />

Frankfurt am Main 1993, S. 11.<br />

32 Vgl. Sibylle Niekisch: Kolonisation und Konsum, Bielefeld 2002.<br />

33 Edward Said: Orientalism, London 2003.<br />

446

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!