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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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lektuellen, lernten die islamischen Länder – nicht unumstritten – eine neue<br />

Weltanschauung kennen: die Aufklärung. 7 Die Menschen sahen sich mit einem<br />

neuen Lebensstil konfrontiert, der Probleme mit sich brachte, die der islamischen<br />

Rechtswissenschaft (Fiqh) bis dahin völlig unbekannt waren. Die<br />

Religion, die einst die gesamte Gesellschaft lenkte, verlor nach und nach<br />

ihren Einfluss auf andere institutionelle Bereiche (wie etwa Wirtschaft, Wissenschaft<br />

oder Recht) und auf die Lebensführung des Einzelnen. 8<br />

Jeder dieser Bereiche wurde nun als voneinander unabhängig begriffen,<br />

und allmählich begannen Intellektuelle und Eliten sich für die wissenschaftlichen<br />

Denkrichtungen und Fortschritte wie zum Beispiel für Demokratie<br />

und Menschenrechte in der Gesellschaft zu interessieren. Unterschiedliche<br />

islamische Strömungen allerdings reagierten auf die neuen Entwicklungen<br />

und Änderungen auf ihre je eigene Weise. Bei der Zuordnung der verschiedenen<br />

islamischen Strömungen kann als Indikator »der Einklang von Fiqh<br />

mit Zeit und Raum« zugrunde gelegt werden. Basierend auf diesem Indikator<br />

lässt sich ein Spektrum konzipieren, in dem sich auf der einen Seite die<br />

Fundamentalen 9 , in der Mitte die Reformer und auf der anderen Seite die Säkularen<br />

befinden. Jede Strömung hat eigene Ansichten entwickelt, die sich in<br />

Bezug auf ihre Vorstellung und Definition von Religion und Scharia (religiöse<br />

Gebote) von denen der anderen Strömungen unterscheiden. Erst unter<br />

Berücksichtigung dieser unterschiedlichen Sichtweisen macht es Sinn, die<br />

Entwicklung der Frauenrechte im Islam zu thematisieren.<br />

Die Fundamentalen<br />

Für sie ist der Islam die Sammlung von Lehren, die von Gott zur Erlösung<br />

und Seligkeit der Menschen dem Propheten offenbart wurden. Diese Lehren<br />

dienen dem Ziel, Gerechtigkeit im Diesseits und Jenseits zu schaffen und die<br />

Gläubigen zur immerwährenden Seligkeit zu führen. Nach Ansicht der Fundamentalen<br />

ist der Islam auf ewigen, unverrückbaren Rechtsbestimmungen<br />

gegründet, die nicht in Frage gestellt, nicht modifiziert werden können und<br />

immer und von jedermann befolgt werden müssen.<br />

Die Ziele der Religion sind nicht modifizierbar, das heißt, sie können nicht<br />

Gegenstand philosophischer oder theologischer Diskurse sein; vielmehr sind<br />

sie durch den Koran und die Überlieferung endgültig festgelegt. 10 Weil der<br />

7 Vgl. Djamshid Behnam: Irâniân wa andishe-ye tajadod [Iraner und der Gedanke der Modernität], Tehran<br />

2004, S. 4-5; eigene Übersetzung.<br />

8 Vgl. Mojtahed Shabestari 2006 (s. Anm. 5), S. 13; eigene Übersetzung.<br />

9 Ich bezeichne diese Strömung des Islam im Folgenden als die »Fundamentalen«, um sie von den »Fundamentalisten«<br />

zu unterscheiden. Denn der Begriff »Fundamentalisten« wird heute überwiegend verwendet,<br />

wenn von den Taliban und von Al-Qaida die Rede ist.<br />

10 Vgl. Ayatollah Abdolah Javadi Amoli: Falsafe-ye Hoghuquq-e bashar [The Philosophy of Human rights],<br />

Qom 2007, S. 106-107; eigene Übersetzung.<br />

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