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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Sinne. Reinsdorf gehört zu jenen technischen Wundern, die eine schreckliche<br />

Zukunft vorbereiten.« 11<br />

Maria Leitner erkennt bereits 1935, auf einer ihrer illegalen Reisen, dass in<br />

Reinsdorf zum Krieg aufgerüstet wird. In diesem Jahr fordert eine schwere<br />

Explosion in dem geheimen Rüstungsbetrieb bei Wittenberg viele Opfer. In<br />

der Wort-Reportage ist zu erkennen, dass Maria Leitner kurz nach dem Ereignis<br />

vor Ort gewesen sein muss. Denn die Bewohner_innen und Arbeiter_innen,<br />

die sie für ihre Reportage interviewt, sind noch immer sehr erregt<br />

und betroffen über den Vorfall in der Fabrik. Die Leser_innen werden von<br />

Maria Leitner direkt in das Geschehen hineingezogen: »Die Welt hat die Katastrophe<br />

schon halb vergessen. Reinsdorf, ach ja, war da nicht eine Sprengstoffexplosion?<br />

Viele Tote und Verwundete?« 12 Die Arbeiter_innen können<br />

sich noch gut an den Unfall erinnern. Ein Arbeiter berichtet: »[a]lles, was ich<br />

anhatte, meine Kleider, meine Wäsche, meine Schuhe, meine Strümpfe, alles<br />

mußte ich wegwerfen« 13 . Den Nationalsozialist_innen ist daran gelegen, das<br />

Unglück so schnell wie möglich zu vertuschen. Als Entschädigung werden<br />

den Arbeiter_innen »eine Ehrenurkunde und 25 Mark« 14 überreicht. Davon<br />

müssen sie neue Kleider kaufen.<br />

Doch nicht nur das unwürdige Verhalten der Konzerne, die gemeinsame<br />

Sache mit der nationalsozialistischen Regierung machen, deckt Maria Leitner<br />

auf. Sie zeigt auch, dass der Westfälisch-Anhaltischen Aktien-Gesellschaft<br />

(WASAG), zu der auch die Sprengstofffabrik Reinsdorf gehört, nur am<br />

Profit, also dem schnellstmöglichen Absatz der Munition gelegen ist: Der<br />

Sprengstoff wird an »Freund und Feind« verkauft, »ganz wie bei dem großen<br />

Kollegen Krupp« 15 , dem die WASAG Konkurrenz machen will: »Der Hauptkunde<br />

für Sprengstoff und Giftgase ist die Reichswehr« 16 . Das Wohl der<br />

Arbeiter_innen spielt für die Fabrikbesitzer_innen und die Nationalsozialist_innen<br />

auch hier wieder keine Rolle. Das zeigt Maria Leitner deutlich am<br />

Ende der Reportage, indem sie die pathetischen Worte Görings zitiert, der<br />

am Grab der Opfer sagt: »Das ist das Große, Leidtragende und Angehörige,<br />

daß heute nicht mehr umsonst der deutsche Mensch in den Tod geht, sondern<br />

daß jeder einzelne damit ein großes Opfer am Altar des Vaterlandes<br />

niederlegt.« 17 Aus Maria Leitners Sicht müssen die Arbeiter_innen sterben,<br />

damit die NSDAP heimlich den Krieg vorbereiten kann.<br />

Ähnliche Enthüllungen bringt Maria Leitner in ihrer Artikelreihe über die<br />

I. G. Farben 18 . Ihre Reportage über das Farben-Werk in Höchst legt die Vermu-<br />

11 Ebd.<br />

12 Ebd.<br />

13 Ebd.<br />

14 Ebd.<br />

15 Maria Leitner: IG-Farben. In: Das Wort, Jg. 2, Heft 1, 1937, S. 56-57, hier: S. 57.<br />

16 Leitner 1936 (s. Anm. 10), S. 55.<br />

17 Ebd.<br />

18 Leitner 1937 (s. Anm. 15).<br />

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