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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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der DDR« hebt Manfred Jäger die essentielle Rolle der Literaten und ihre<br />

Selbsttätigkeit im Zensursystem der DDR hervor: »Am Ende lief alles auf<br />

Selbstzensur hinaus, denn der Urheber des Textes mußte billigen oder billigend<br />

in Kauf nehmen, was ihm mit sanftem oder kräftigem Druck vorgeschlagen<br />

wurde. Auch in der konkreten Auseinandersetzung um ein Manuskript,<br />

ja um ein einzelnes Wort, setzte sich formell Selbstzensur fort.« 34<br />

Jägers Argumentation bietet die Möglichkeit einer denkwürdigen Parallelisierung<br />

der Systemkonstitution der KJL in der DDR und BRD, die sich in<br />

der Begrenzung literarischer Schaffensprozesse ausdrückt – einerseits parteipolitisch,<br />

andererseits marktwirtschaftlich determiniert. Die starke Abhängigkeit<br />

von den gegenwärtig bestehenden Marktanforderungen und die damit<br />

zwangsläufig einhergehende Form der Selbstzensur sieht auch Horst<br />

Heidtmann in seiner Analyse des aktuellen Kinderbuchmarkts als gegeben<br />

an: »Politisches und/oder ästhetisches Engagement kann sich ein Autor nur<br />

noch erlauben, wenn dies mit ohnehin im Markt vorhandenen oder sich abzeichnenden<br />

Trends einhergeht. Ambitionierte Autoren stellen ihr Engagement<br />

zurück, müssen notgedrungen Serien [...] über Kinderdetektive, Pferde<br />

oder erste Liebe schreiben. Themenvorschläge oder Manuskripte werden –<br />

natürlich – abgelehnt, wenn die Verleger sie für nicht hinreichend trendkonform<br />

halten, ungeachtet ihrer literarischen Qualität.« 35<br />

Die sechs AutorInnen nehmen die literarischen Beschränkungen als eine<br />

neue Form der Zensur wahr und vergleichen diese mit ihren persönlichen<br />

Eindrücken im Handlungssystem KJL der DDR. Einschlägige Sichtweisen<br />

und Erfahrungen werden durch die Konfrontation mit neuen Anforderungen<br />

des kinder- und jugendliterarischen Berufsprofils sowie veränderten<br />

Umgangsformen komplettiert, die sich in einer nur geringen Achtung des<br />

Autors/der Autorin erschließen. Die diffizilen Integrationsbedingungen<br />

schaffen Systemfremdheit und begründen den faktischen Systemausschluss<br />

eines Großteils renommierter Kinder- und JugendbuchautorInnen der DDR.<br />

34 Manfred Jäger: Das Wechselspiel von Selbstzensur und Literaturlenkung in der DDR. In: Ernest Wichner;<br />

Herbert Wiesner (Hrsg.): »Literaturentwicklungsprozesse«. Die Zensur der Literatur in der DDR, Frankfurt<br />

am Main 1993, S. 18-49, hier: S. 36.<br />

35 Horst Heidtmann: Der Kinder- und Jugendbuchmarkt. In: Malte Dahrendorf (Hrsg.): Kinder- und Jugendliteratur.<br />

Material, Leipzig 1995, S. 8-16, hier: S. 11 f.<br />

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