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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Mendel Grosman: Ghettobewohner, professioneller Fotograf<br />

Auch innerhalb des Ghettos gab es rege fotografische Aktivitäten. Zwischen<br />

1940 und 1944 wurden über 11 700 Aufnahmen in offiziellem Auftrag von jüdischen<br />

Ghettofotografen gemacht. 30 Die beiden Fotografen Mendel Grosman<br />

und Henryk Ross waren zu gleicher Zeit mit versteckter Kamera unterwegs.<br />

Grosman war Amateurfotograf und Autodidakt, er hatte sich das<br />

Fotografieren selbst beigebracht. Bis zum deutschen Überfall auf Polen hatte<br />

er sich einen Namen als Kunstfotograf gemacht und besaß weitreichendes<br />

Renommee. Im Ghetto arbeitete er für das »Photographische Referat«, das<br />

laut Ghetto-Enzyklopädie im Juli 1940 zusammen mit dem »Graphischen<br />

Büro« innerhalb der »Statistischen Abteilung« eingerichtet wurde und bis<br />

April 1944 bestand. 31 Die offizielle Aufgabe der Fotografen war es, Fotografien<br />

für die Kennkarten der Ghettobewohner/innen anzufertigen. 32 Aus erhaltenen<br />

Akten wird jedoch deutlich, dass das »Photo-Referat« in der Zeit<br />

seines Bestehens immer umfangreichere Aufgaben zugeteilt bekam, so beispielsweise<br />

auch den Auftrag, für die deutschen Behörden Fotografien von<br />

den Werkstätten und allen anderen wirtschaftlichen Einrichtungen des Ghettos<br />

sowie der Ghettoorganisation zu machen. 33 Die jüdischen Fotografen hatten<br />

dadurch beachtliche Handlungsspielräume und zugleich das Fotomaterial<br />

an der Hand, um privat und versteckt zu fotografieren. Das private Fotografieren<br />

war allerdings nicht ohne Risiko möglich: Ende 1941 verbot Rumkowski<br />

jegliche persönliche oder private Fotografie im Ghetto – entweder aus<br />

Angst vor der Verbreitung von in seinen Augen nicht verbreitungswürdigen<br />

Fotografien, wie beispielsweise Bildern, die Hunger, Armut und Deportationen<br />

zeigen, oder aus Angst vor der Entdeckung dieses Bildmaterials durch<br />

die Deutschen. Am 8. Dezember 1941 schrieb Rumkowski an Grosman: »Hierdurch<br />

gebe ich Ihnen zur Kenntnis, dass Sie Ihren Beruf nicht zu Privatzwecken<br />

ausüben dürfen und dass Sie sofort Ihr Geschäft zu liquidieren<br />

29 Das scheint ihm gelungen zu sein: Im November 1941 schlägt sein Vorgesetzter Hämmerle ihn für das<br />

Kriegsverdienstkreuz vor. Vgl. AP ´ L Schreiben von Hämmerle an Biebow vom 24.11.1942, GV/ 29280, Blatt<br />

0394.<br />

30 Die Bilder befinden sich als Kontaktabzüge in verschiedenen Alben im Staatsarchiv ´ Lód´z, Fotoabzüge befinden<br />

sich weltweit in verschiedenen Archiven, u. a. in Yad Vashem, Jerusalem, Wiener Library, London,<br />

YIVO, New York.<br />

31 Vgl. Sascha Feuchert; Erwin Leibfried; Jörg Riecke (Hrsg.): Die Chronik des Gettos Lodz/Litzmannstadt<br />

1942, Göttingen 2007, S. 621.<br />

32 Vgl. Sascha Feuchert; Erwin Leibfried; Jörg Riecke (Hrsg.): Die Chronik des Gettos Lodz/Litzmannstadt<br />

1944, Göttingen 2007, S. 249.<br />

33 Die Aufforderung erging vom Chef der deutschen Ghettoverwaltung Biebow an den »Ältesten der Juden«<br />

Rumkowski und wurde im Verlauf des Jahres 1940 erfüllt. Biebow hatte geschrieben: »Ich lege überhaupt<br />

Wert darauf, dass alle die Dinge bildlich festgehalten werden, welche Zeugnis vom Wirtschaftsleben und damit<br />

von der Organisation im Getto ablegen, d. h. z. B. Krankenhauseinrichtungen, Krankentransporte, Rettungsstationen,<br />

Büroräume ihres Wirtschaftsamtes [...]. Ich glaube, dass diese Stichpunkte genügen werden,<br />

um Ihnen Anhaltspunkte zu geben.« – Schreiben von Biebow an Rumkowski vom 29.06.1940, AP ´ L, ´ Lód´z,<br />

GV/29372, Bl. 0316.<br />

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