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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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portation und Ermordung der Alten, Kranken und Kinder im September<br />

1942 bis zur endgültigen Liquidierung im August 1944 war das Ghetto ein<br />

reines Arbeitsghetto, eine Art »Juden-Zwangsarbeitslager« 20 . Die Ausrichtung<br />

auf Zwangsarbeit hat maßgeblich zu den regen fotografischen Aktivitäten<br />

im Ghetto beigetragen.<br />

Die Aufnahmen von Walter Genewein:<br />

Beamter der deutschen Ghettoverwaltung, Amateurfotograf<br />

So stand auch die fotografische Tätigkeit von Walter Genewein mit der<br />

Fokussierung auf Zwangsarbeit in Zusammenhang. Walter Genewein war<br />

Leiter der Finanzabteilung der deutschen Ghettoverwaltung. Er fotografierte<br />

sehr aktiv und in Farbe, über 400 Dias und zahlreiche weitere Aufnahmen<br />

von ihm sind erhalten. 21 Genewein war Amateurfotograf, seine Kamera<br />

stammte wahrscheinlich aus dem Bestand des von den Juden und Jüdinnen<br />

beschlagnahmten respektive »angekauften« Eigentums. 22 Mehrere Schreiben<br />

aus dem Bestand der Korrespondenz der Ghettoverwaltung belegen, dass es<br />

sich bei seinen Bildern um Dienstaufnahmen handelte. 23 Die Mehrheit seiner<br />

Aufnahmen zeigt die Menschen an den Produktions- und Werkstätten sowie<br />

die dort hergestellten Produkte und gibt einen Einblick in Aufbau und Organisation<br />

des Ghettos (Post, Ordnungsdienst, Feuerwehr, Gericht et al.). Seine<br />

Aufnahmen vermitteln ein positives Bild der Situation, das Ghetto erscheint<br />

als ein für die deutsche Zivilverwaltung zu nutzender »Produktionsfaktor«.<br />

Angesichts der unterschiedlichen Interessen der nationalsozialistischen<br />

Führung, der SS und der deutschen Wehrmacht sollten sie vermutlich zur<br />

Unterstützung der Argumente für den Erhalt der profitablen Ghettowirtschaft<br />

dienen. 24 Denn für die Mitglieder der deutschen Ghettoverwaltung<br />

ergaben sich aus ihrer Tätigkeit verschiedene Vorteile: Sie besaßen die Möglichkeit,<br />

Karriere zu machen und sich zu bereichern, und blieben von der<br />

20 Julian Baranowski: Die Liquidierung des Ghettos Litzmannstadt 1944. In: Lodzer Judaica in Archiven und<br />

Museen. Aufsätze und Berichte aus ´ Lód´z, Jerusalem, Washington und Frankfurt am Main, hrsg. vom Muzeum<br />

Historii Miasta ´ Lodzi, Marek Budziarek; ´ Lód´z, S. 47-54, hier: S. 47.<br />

21 Die Dias wurden 1987 in einem Antiquariat in Wien in einem Holzkoffer gefunden und vom Jüdischen Museum<br />

Frankfurt gekauft, Abzüge der Bilder befinden sich weltweit in verschiedenen Archiven, vor allem<br />

gibt es zeitlich zu den Dias leicht versetzte Fotoabzüge im United States Holocaust Memorial Museum<br />

(USHMM) in Washington.<br />

22 Vgl. Schreiben von Biebow an Rumkowski vom 12.09.1940, Archiwum Państwowe w ´ Lódzi (AP ´ L), ´ Lód´z,<br />

GV/29373, Bl. 1058, das den Ankauf von Fotoapparaten betrifft, »für die bei mehreren Stellen Interesse vorhanden<br />

ist«.<br />

23 Vgl. Schreiben von Genewein an Agfa vom 12.08.1941, 18.08.1941 und 05.09.1941, AP ´ L, ´ Lód´z, GV/30221,<br />

Bl. 0902, 0903 und 0904. Vgl. auch Notiz von Biebow an Czarnulla, dem Leiter der Beschaffungsabteilung für<br />

Wehrmachtsaufträge vom 03.09.1941, AP ´ L, ´ Lód´z, GV/29221, Bl. 0997 (Bestellung »für die Kamera Genewein«).<br />

24 Vgl. Florian Freund; Bertrand Perz; Karl Stuhlpfarrer: Bildergeschichten – Geschichtsbilder. In: Jüdisches<br />

Museum Frankfurt (Hrsg.): »Unser einziger Weg ist Arbeit«, Wien 1990, S. 50-58, hier: S. 58.<br />

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