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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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linien. Die Reformer erwähnen dabei nicht, ob es überhaupt bestimmte<br />

Quellen oder Regeln zur Bestimmung der Grenze zwischen Grundrichtlinien<br />

und sekundären Richtlinien gibt.<br />

Reformer versuchen, die islamischen Richtlinien in Bezug auf Frauenrechte<br />

den sekundären Richtlinien zuzuordnen, um damit eine zeitgemäße<br />

und vernünftige Interpretation vorzulegen. Dennoch bezeichnen viele Anhänger<br />

dieser Gruppe diskriminierende Richtlinien – wie etwa Hijab (die Bedeckung<br />

bzw. Verschleierung der Frau) – als Grundrichtlinien, die nicht modifizierbar<br />

sind. 21<br />

Die Säkularen<br />

Diese Strömung besteht sowohl aus gläubigen Denker_innen, die ihre eigene<br />

Definition vom Islam haben, als auch aus denjenigen, die keinen Glauben an<br />

eine bestimme Religion haben.<br />

»Für die Gläubigen ist der Glaube die völlige Hingabe in das Dasein<br />

Gottes, Glaube ist die Geborgenheit in Gott und demnach ein innerer Akt der<br />

Begegnung zwischen Mensch und Gott. Der Glaube ist eine bewusste Entscheidung<br />

für den Halt in Gott, die auf der inneren Freiheit des Menschen<br />

beruht. Der inneren Freiheit muss auch eine äußere Freiheit entsprechen.<br />

Denn die innere Entscheidung für Gott kann dem Menschen nicht von außen<br />

aufgezwungen werden. Sämtliche religiösen Dogmen, die dem Menschen<br />

vorschreiben, was er zu glauben hat und was nicht, sind daher keine Wegweiser<br />

zum wahren Glauben, sondern Barrieren, die die freie Entfaltung des<br />

Glaubens behindern. Sobald eine Gruppe, die über großen politischen und<br />

gesellschaftlichen Einfluss verfügt, das Entscheidungsmonopol darüber, was<br />

im religiösen Sinne wahr und was falsch ist, für sich beansprucht und somit<br />

eine offizielle Lesart der Religion entsteht, wird die Religion instrumentalisiert<br />

und ihres Kerns, des Glaubens, beraubt.« 22<br />

Nach säkularer Auffassung ist das moderne gesellschaftliche Leben auf<br />

neue Wissenschaften wie Philosophie, Politik, Jura oder Soziologie angewiesen.<br />

Die Fiqh ist weder in der Lage soziale Fakten zu analysieren, noch die<br />

neuen politischen und menschlichen Werte wie Freiheit und soziale Gerechtigkeit<br />

zu verwirklichen, noch auf die Beziehungen der Menschen untereinander<br />

einzuwirken. So ist – nach Ansicht der Säkularen – Fiqh kein Bestandteil<br />

des Glaubens und weder heilig noch ewig. 23<br />

Die säkular-orientierten Gläubigen sind der Überzeugung, dass Menschenrechte,<br />

die Gleichberechtigung der Frauen und demokratische Systeme<br />

21 Vgl. Mehdi Mehrizi: Hejab [Bedeckung], Teheran 2008.<br />

22 Seidel 2006 (s. Anm. 18), S. 79.<br />

23 Vgl. Mojtahed Shabestari 2006 (s. Anm. 5), S. 19; eigene Übersetzung.<br />

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