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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Alexander Bein beschreibt, wie durch Wiederholung ein »Gespür für ihre<br />

Metaphorizität« 46 verloren gehen kann. Ab Ende des 19. Jahrhunderts gerät<br />

der Bildempfänger in der judenfeindlichen Rhetorik in den Hintergrund, bis<br />

schlussendlich in nationalsozialistischer Rhetorik Juden und Jüdinnen als<br />

Bildempfänger_innen aus den Diskursfragmenten fast vollständig entfernt<br />

waren. 47 Die sprachliche Dehumanisierung kulminierte im Nationalsozialismus<br />

in einer Identifizierung von Juden und Jüdinnen als Schädlinge 48 , die<br />

Metaphorisierung wich einer unmetaphorischen Gleichsetzung. 49<br />

Persuasivität<br />

Im Gegensatz zum rein nominativen (benennenden) Sprechen übermitteln<br />

expressiv-metaphorische Sprachbilder ein »Surplus«, sie interpretieren, können<br />

persuasiv wirken, also einer Überredung dienen und Kritik vorwegnehmen.<br />

Dies vollzieht sich über einen spontanen Verstehenseffekt, einem »flash<br />

of insight« 50 , mit dem ein System an Implikationen transportiert wird. Bei<br />

Metaphern aus einem religiösem Kontext wie zum Beispiel der Heuschreckenmetapher<br />

sind es zudem die lang tradierten Dualismen von Heiligem<br />

und Unreinem, von Eigenem und Fremden, durch das sie weiteres anschauliches<br />

Potential verwirklichen. 51 Diese Dichotomien finden sich dann in anderen<br />

Kontexten, beispielsweise in politischen oder sozialen Konflikten wieder,<br />

ohne den ehemaligen historischen Kontext zu explizieren. 52 Ebenso<br />

wurden Tiermetaphern als idealisierende Modelle von Moral und Ordnung<br />

verwendet, indem Motive mit Werten und ethisch-sittlichen Normen ausgestattet<br />

waren, etwa in Fabeln oder auch zur Illustration von Staatstheorien.<br />

Metaphern konnten so Gegenstände oder Verhaltensweisen an Werte knüpfen,<br />

deren Verbindung sich vorher nicht aufdrängte. 53<br />

46 Alexander Bein: »Der jüdische Parasit«. Bemerkungen zur Semantik der Judenfrage. In: Vierteljahreshefte<br />

zur Zeitgeschichte, Jg. 13, 2. Heft/April 1965, S. 121-149, hier: S. 148.<br />

47 Vgl. Victor Klemperer: Die unbewältigte Sprache. Aus dem Notizbuch eines Philologen. LTI (Lingua Tertii<br />

Imperii), Darmstadt 1966, S. 23 f.<br />

48 Vgl. Schäfer 1962 (s. Anm. 36), S. 61.<br />

49 Vgl. Bein 1965 (s. Anm. 46), S. 129.<br />

50 Max Black: Metaphors are no arguments, my pretty maiden. In: Proceedings of the Aristotelian Society, Vol.<br />

LV, S. 273-294, hier: S. 277 f.<br />

51 Dieses dichotome Potential entfaltet sich zum Beispiel in Verwendungen der Heuschreckenmetapher im<br />

Zuge von Übernahmen wie im März <strong>2011</strong> bei der Beteiligung von Oaktree an Beluga Shipping. Das krisenhafte<br />

Potential einer heimischen Ökonomie wird durch das Szenario einer von Gott gesandten Plage mystifiziert.<br />

52 Vgl. Silke Wenk; Insa Eschebach: Soziales Gedächtnis und Geschlechterdifferenz. In: Insa Eschebach; Sigrid<br />

Jacobeit; Silke Wenk (Hrsg.): Gedächtnis und Geschlecht. Deutungsmuster in Darstellungen des nationalsozialistischen<br />

Genozids, Frankfurt am Main 2002, S. 13-40, hier: S. 21.<br />

53 Der deutsche Adler als nationales Symbol transportiert z. B. einen edlen und erhabenen Charakter auf das<br />

Kollektiv. Vgl. Steve Baker: Picturing the Beast. Animals, Identity and Representation, Manchester 1993,<br />

S. 83.<br />

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