02.12.2012 Aufrufe

Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

tung verschärft sich mit der ›aktivierenden Arbeitsmarktpolitik‹ und führt<br />

zu einem verstärkten Rechtsfertigungsdruck auf die Betroffenen. 3 Unter diesen<br />

Bedingungen entsteht die schizophrene Situation, dass die Erwerbsarbeit,<br />

gerade weil immer mehr Menschen dauerhaft von ihr ausgeschlossen<br />

oder nur noch prekär an das Erwerbssystem angebunden sind, sogar eine<br />

normative Aufwertung erfährt. Die Vermutung, dass es unter den Bedingungen<br />

anhaltender Erwerbslosigkeit auch zu einer Auflösung sozialer Beziehungsstrukturen<br />

kommt, liegt hier nah: Die Betroffenen werden aus erwerbsvermittelten<br />

Interaktionskontexten herausgerissen, können aufgrund<br />

finanzieller Einschränkungen weniger am sozialen Leben teilnehmen und<br />

sehen sich zudem mit dem Gefühl von Scham und (Selbst-)Vorwürfen konfrontiert.<br />

Umso bemerkenswerter ist, dass es bislang keine Untersuchung<br />

gibt, welche die Frage nach dem Wandel sozialer Netzwerke in der Erwerbslosigkeit<br />

und der Bewältigung von Erwerbslosigkeitserfahrungen innerhalb<br />

solcher Netzwerke systematisch in den Blick nimmt. Stattdessen wird der<br />

Verlust sozialer Kontakte und der Ressourcen sozialer Unterstützung in der<br />

Erwerbslosigkeit oftmals als selbstverständlich vorausgesetzt und bestenfalls<br />

am Rande berücksichtigt. Dies führt jedoch zu einer sehr verkürzten<br />

Sicht der Dinge. Denn oftmals kommt es während der Erwerbslosigkeit zwar<br />

zu einem Verlust von sozialen Kontakten, zugleich intensivieren sich aber<br />

auch vorhandene Beziehungen und es entstehen neue. In jedem Fall hat der<br />

Wandel sozialer Netzwerke in der Erwerbslosigkeit aber einen veränderten<br />

Zugriff auf Ressourcen sozialer Unterstützung zur Folge. So ist davon auszugehen,<br />

dass parallel zum Gestaltwandel ein Funktionswandel sozialer<br />

Netzwerke stattfindet, der die Frage aufwirft, was die verschiedenen Teile eines<br />

sozialen Netzwerks unter den Bedingungen der Erwerbslosigkeit zu leisten<br />

vermögen. 4 Der Schwerpunkt der folgenden Darstellung wird auf letzterem<br />

Zusammenhang liegen. So werde ich der Frage nach den typischen<br />

Funktionen sozialer Beziehungen in der Erwerbslosigkeit mit Blick auf die<br />

verschiedenen Arten von Beziehungen (Familie, Freundeskreis, Nachbar_innen<br />

usw.) nachgehen, die von den Erwerbslosen im Interview 5 als unterstützend<br />

genannt wurden. Ein besonderer Fokus der Darstellung wird dabei<br />

auf Freundschaftsbeziehungen liegen, da diese sich als überaus zentral<br />

für die Bewältigung von Erwerbslosigkeit erwiesen haben. Im Anschluss an<br />

3 Vgl. Kai Marquardsen: Wie wirkt »Aktivierung« in der Arbeitsmarktpolitik?. In: Klaus Dörre et al. 2008<br />

(s. Anm. 2).<br />

4 Vgl. Kai Marquardsen; Silke Röbenack: »…der Freundeskreis, der Bekanntenkreis hat sich total verändert« –<br />

Rekonstruktionen von sozialen Beziehungskontexten bei Arbeitslosengeld-II-EmpfängerInnen. In: Christian<br />

Stegbauer (Hrsg.): Netzwerkanalyse und Netzwerktheorie. Ein neues Paradigma in den Sozialwissenschaften,<br />

Wiesbaden 2008.<br />

5 Die empirische Grundlage der Untersuchung bilden 27 problemzentrierte Interviews, die ich im Zeitraum<br />

zwischen Dezember 2006 und Mai 2007 mit Erwerbslosen und ihrem sozialen Umfeld in einer ost- und einer<br />

westdeutschen Untersuchungsregion geführt habe.<br />

42

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!