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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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der parlamentarischen Mitsprache oder Kontrolle und öffentlichen Meinungsbildung<br />

entzogen. Hinzu kam die systematische Demobilisierung kritischer<br />

gesellschaftlicher Kräfte. Die geringe Durchlässigkeit des politischen<br />

Systems sicherte zudem die schwache Vertretung von Mehrheitsinteressen<br />

beziehungsweise die starke Rolle der traditionellen Parteien, in denen die soziale<br />

Herkunft der Mandatsträger_innen die enge Bindung zwischen Politik<br />

und Privilegierten fortsetzte. 12 Trotz fairer und freier Wahlen und erweiterter<br />

politischer Freiheiten beschränkte auch die fehlende materielle Basis die Teilhabe<br />

großer Teile der Bevölkerung. Folglich wurde und wird die Funktionslogik<br />

von Mehrheitsentscheidungen durch tiefer liegende Herrschafts- und<br />

Besitzstrukturen unterhöhlt. Die Erkenntnis, dass materielle Aspekte wie<br />

Einkommensarmut und Existenznot sowie ökonomische Abhängigkeiten die<br />

Artikulation und Vertretung demokratischer Rechte substanziell begrenzen,<br />

ist keineswegs neu. 13 Sie sollte innerhalb der liberalen Demokratietheorie<br />

(an)erkannt und theoretisch-konzeptionell entsprechend reflektiert werden.<br />

Das Festhalten an formaler Gleichheit ohne die (Wechsel)Wirkungen von multiplen<br />

Ungleichheiten und die sich dadurch (re)produzierenden Herrschaftsverhältnisse<br />

in den Blick zu nehmen, bedeutet, undemokratische Prozedere<br />

sowie gesellschaftliche Asymmetrien zu legitimieren und zu stabilisieren.<br />

Dazu passt auch, dass der demokratietheoretische Mainstream Armut<br />

und sozialer Ungleichheit in jüngster Vergangenheit wieder mehr Aufmerksamkeit<br />

schenkt, dabei aber lediglich politische Destabilisierungseffekte und<br />

Nachteile für die Volkswirtschaft im Blick hat. 14 So scheint es in den Hauptströmungen<br />

der Debatten weiter kaum Interesse zu geben, die demokratischen<br />

Folgen sozialer Ungleichheit und polit-ökonomischen Bedingungen<br />

von gesellschaftlicher Teilhabe ernsthaft zu reflektieren. Gleichzeitig herrscht<br />

eine schon fast reflexartige Ablehnung gegenüber allen demokratischen Alternativen<br />

vor, die versuchen neue Pfade jenseits des liberal-repräsentativen<br />

Erfahrungshorizontes zu beschreiten.<br />

12 Vgl. Jonas Wolff: Demokratisierung als Risiko der Demokratie? Die Krise der Politik in Bolivien und Ecuador<br />

und die Rolle der indigenen Bewegungen, HSFK-Report 6/2004, S. 21 f. http://www.hsfk.de<br />

(04.09.2010) (http://tinyurl.com/6enw6z6; 17.07.<strong>2011</strong>).<br />

13 Vgl. hierzu u. a. Hermann Heller: Staatslehre, Leiden 1934; Thomas H. Marshall: Citizenship and Social<br />

Class. In: Ders.; Tom Bottomore (Hrsg.): Citizenship and Social Class, Chicago 1992, S. 3-51; Barrington<br />

Moore: Social Origins of Dictatorship and Democracy: Lord and Peasant in the Making of the Modern<br />

World, Boston 1966; Dietrich Rueschemeyer; Evelyne Huber; John D. Stephens: Capitalist Development and<br />

Democracy, Cambridge 1992.<br />

14 Vgl. Francis Fukuyama: La experiencia latinoamericana. In: Journal of Democracy en Español, Jg. 1, 2008,<br />

S. 158 f. http://www.journalofdemocracyenespanol.cl (http://tinyurl.com/6fwq7or; 29.08.2010).<br />

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