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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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den, womit er aus dem Vorschlag, sie einzuführen, die Frage nach der Hegemonie<br />

dieser Ästhetik herausliest. Hacks’ Hinweis, die Entscheidung für das<br />

Thema sei völlig unabhängig von einem in dieser Zeit auflebenden Interesse<br />

am sozialistischen Realismus gefallen, 6 lässt es lohnend erscheinen, den Blick<br />

gerade auf dieses Interesse und damit auf den Zusammenhang zwischen Politik<br />

und Kultur in diesem konkreten historischen Moment zu werfen.<br />

Quellenstudium<br />

Die Runde des Gesprächs der 1978 neu begründeten Arbeitsgruppe Ästhetik<br />

besteht zum einen aus den Mitgliedern der bereits seit 1972 existierenden Arbeitsgruppe<br />

Dramatik. Es sind dies der Dramatiker Helmut Baierl, die Drehbuchautoren<br />

Wolfgang Kohlhaase und Benito Wogatzki, die Dramatikerin<br />

Anna Elisabeth Wiede sowie der Literaturwissenschaftler Werner Mittenzwei.<br />

Eigens für die Debatte zum sozialistischen Realismus 7 hinzugeladen<br />

sind der Literaturwissenschaftler Robert Weimann sowie mit dem Kulturpolitiker<br />

Alexander Abusch, dem Philosophen Wolfgang Harich und dem<br />

Verleger Wieland Herzfelde drei Zeitzeugen, die auf verschiedene Weise<br />

selbst kommunistische Parteigeschichte schrieben. Die meisten der Diskutanten<br />

betreten unvermutetes Neuland, gerade was das zu sichtende Material<br />

angeht. Das Protokoll des 1. Allunionskongresses der Sowjetschriftsteller<br />

1934, der den sozialistischen Realismus als Staatsästhetik proklamierte, war<br />

in der DDR bis auf wenige Auszüge nicht veröffentlicht worden. 8 Die Theorien<br />

von Georg Lukács wurden seit 1956 nicht mehr ernsthaft diskutiert.<br />

Anders als bei den sowjetischen Konzeptualisten, die zu dieser Zeit ebenfalls<br />

auf den sozialistischen Realismus zurückgriffen, um ihn zu überwinden,<br />

richtet sich das Interesse der Arbeitsgruppe nicht auf eine Dekonstruktion<br />

jener Formen des sozialistischen Realismus, die Boris Groys als »Gesamtkunstwerk<br />

Stalin« 9 fasste. Es ist eher auf die Programmatik dieser Ästhetik<br />

6 So erklärte Hacks: »Als wir vor einem knappen Jahr an irgendeiner Stelle in der südlichen Mark Brandenburg<br />

beschlossen, diese Frage heute zu stellen, schien sie eine einigermaßen abwegige Frage. Inzwischen<br />

treffe ich andere Personen, die sich auch dafür interessieren.« – Ebd., S. 156.<br />

7 Zur Debatte gehören auch die Gespräche: Zur Konzeption des sozialistischen Realismus 1934 (30.01.1978)<br />

und Zur Realismustheorie von Georg Lukács (13.03.1978). – Vgl. ebd., S. 7-79 und S. 81-151.<br />

8 Grundlage der Diskussion bildet daher der bei Suhrkamp erschienene Band: Hans-Jürgen Schmitt; Godehard<br />

Schramm (Hrsg.): Sozialistische Realismuskonzeptionen. Dokumente zum 1. Allunionskongreß der<br />

Sowjetschriftsteller, Frankfurt am Main 1974. – Noch 1983 nennt Hacks dieses Protokoll auf eine Umfrage<br />

des Kulturministers Hans-Joachim Hoffmann nach den zehn wichtigsten Büchern überhaupt. Er charakterisiert<br />

es dort als »ästhetische Jahrhundertdebatte«. – Peter Hacks: Umfrage des Ministers. Zehn Schritte auf<br />

dem Weg zum Leseland. Brief an das Kulturministerium vom 11.09.1983. In: Deutsches Literaturarchiv Marbach,<br />

Nachlass Peter Hacks.<br />

9 »Von Stalin kann man sich nicht befreien, ohne ihn zumindest ästhetisch zu wiederholen, und so begreift die<br />

neue russische Kunst Stalin als ästhetisches Phänomen, um ihn zu kopieren und auf diese Weise loszuwerden.«<br />

– Boris Groys: Gesamtkunstwerk Stalin. Die gespaltene Kultur in der Sowjetunion, München 1988,<br />

S. 130.<br />

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