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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Was auf dem Papier so harmonisch und logisch klingt, bereitet in der<br />

rechtlichen und politischen Praxis große Probleme, denn die Anliegen indigener<br />

Völker 4 stehen ökonomischen Interessen und damit nach Meinung<br />

vieler auch dem Wohl der jeweiligen Nationen im Weg. Aufgabe einer engagierten<br />

Ethnologie sollte es also sein, die Konflikte, die mit der Umsetzung<br />

indigener Territorialrechte verbunden sind, aufzudecken und die Indigenen<br />

in ihren Anerkennungskämpfen zu unterstützen. 5<br />

Am Beispiel der Kari’ña von Imataca zeige ich, dass ein solches Vorgehen<br />

nach Lehrbuch aus der Distanz sinnvoll erscheint, aber in der komplexen Lebensrealität<br />

›echter‹ Indigener nicht einfach zu verwirklichen ist. Trotz Reflexion<br />

und guter Absichten ist die Ethnologie gezwungen, ihre Rolle und letztlich<br />

auch ihre Legitimierung im postkolonialen Machtgefüge immer wieder<br />

am Einzelfall zu hinterfragen.<br />

Indigene Territorien in Lateinamerika<br />

In Lateinamerika ist das Thema der indigenen Territorien wie kein anderes<br />

im Zusammenhang mit den Ureinwohner_innen in den letzten Jahrzehnten<br />

umkämpft und diskutiert worden. Das ist nicht verwunderlich, denn zum<br />

einen sind die Auffassungen darüber, welche Konsequenzen eine umfassende<br />

Anerkennung dieser Territorien nach sich zieht, diametral entgegengesetzt.<br />

Zum anderen sind die Nationalstaaten in diesem sensiblen Bereich<br />

gezwungen, Kontrolle abzugeben. Im Gegensatz zu anderen, weniger kontrovers<br />

diskutierten indigenen Anliegen wie Armutsbekämpfung, Förderung<br />

von Sprache und Kultur und Ähnlichem lassen sich die Protagonist_innen<br />

mit Absichtserklärungen, Versprechungen und paternalistischen<br />

Wohltaten nicht vertrösten, sondern stellen konkrete Forderungen in Form<br />

kollektiver Eigentumstitel und damit verbundener Autonomierechte.<br />

Die Inhalte und Zielrichtungen indigener Forderungen haben sich in den<br />

vergangenen Jahrzehnten allerdings grundlegend gewandelt. 6 Bis in die spä-<br />

4 Rechte auf Territorien sind Völkern zugehörig (im Sinne von sozialer beziehungsweise politischer Kontrolle,<br />

Rechte auf Land sind darin inbegriffen), während Rechte auf Land im Sinne physischen Besitzes Individuen<br />

oder einzelnen Siedlungen zustehen. In Bezug auf indigene Völker (der Begriff »Völker« ist dabei nicht im<br />

Sinne des Völkerrechts, sondern im Sinne der ILO-Konvention 169 zu verstehen) ist es daher grundsätzlich<br />

angebracht, von Territorien zu sprechen, auch wenn diese Definition per se problematisch ist, da sie in ihrer<br />

extremen Auslegung mit dem territorialen Vorrecht des Nationalstaats in Konflikt kommen kann. – Vgl.<br />

Erick Gutierrez: Dispositivo teleinformático para el análisis y discusión de problemas en Venezuela. Inseguridad<br />

territorial, Caracas 2006; Luis Bello: Derechos de los pueblos indígenas en el nuevo ordenamiento venezolano,<br />

Kopenhagen 2005.<br />

5 Vgl. zum Beispiel Jeffrey Sluka; Antonius C.G.M. Robben: Fieldwork in cultural anthropology: An introduction.<br />

In: Dies.: Ethnographic fieldwork. An anthropological reader, Oxford 2007, S. 1-28; Shannon Speed: At<br />

the crossroads of human rights and anthropology: towards a critically engaged activist research. In: American<br />

Anthropologist 2006, Bd. 108 (1), S. 66-76.<br />

6 Vgl. José Bengoa: La emergencia indígena en América Latina, Santiago de Chile 2007.<br />

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