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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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der Kritischen Theorie ist. Es ist üblich, die kritische Theorie der Herrschaft<br />

als bloße Behauptung einer totalisierenden und der Vernunft inhärenten<br />

Herrschaft zu begreifen, die totale Verdinglichung erzeugt. Wir haben hier<br />

eine qualitativ einzigartige Kategorie, die bestimmte Probleme benennen<br />

kann und bestimmte Phänomene an der Schnittstelle von Herrschaft und<br />

Freiheit (von dem Psychischen, Sozialen und Politischen) untersucht. Mit<br />

dem Autoritätsbegriff kann der Verdinglichungsprozess sowie die psychoanalytische<br />

Seite der gesellschaftlichen Phänomene erfasst werden.<br />

Zweitens ist Autorität eines der wenigen Themen, das während der ersten<br />

Jahre der Zusammenarbeit und des Exils zum Gegenstand des interdisziplinären<br />

Programms geworden ist. Richtet man die Aufmerksamkeit auf disziplinäre<br />

Ansätze und nimmt die Autorität als geeigneten Gegenstand, um<br />

das interdisziplinäre Programm auf den Prüfstand zu stellen, so lassen sich<br />

zwei Probleme formulieren: a) der Vorrang des sozialpsychologischen Ansatzes<br />

in der Behandlung der Frage der Autorität und die damit einhergehende<br />

Reduktion der Interdisziplinarität auf die Verschränkung von Soziologie und<br />

Psychologie; b) das Festhalten am Begriff der Autorität (vor allem im sozialpsychologischen<br />

Ansatz), um sehr unterschiedliche historische Situationen zu<br />

analysieren: den Niedergang der Arbeiterklasse, den Aufstieg des Nationalsozialismus<br />

und des Stalinismus, die faschistische Propaganda in der amerikanischen<br />

Demokratie, die Erziehung in Deutschland in der Nachkriegszeit.<br />

Dabei versteht die kritische Theorie sich selbst als überlegte Verarbeitung der<br />

historischen Erfahrung, wie Helmut Dubiel anmerkt. 15 Hier zeigt sich, dass<br />

die Analyse Horkheimers eher in Richtung Zivilisationsproblematiken erweitert<br />

und die spezifisch historische Problematik in diese Zivilisationsanalyse<br />

integriert wurde. Dies ist der zweite Aspekt der Untersuchung: Autorität erweist<br />

sich als eine sehr umfassende Kategorie, deren Anwendung eher für zivilisatorische<br />

als für geschichtliche Probleme geeignet erscheint.<br />

Vorrang und Komplexität des sozialpsychologischen Ansatzes<br />

In der kritischen Gesellschaftstheorie kann man leicht den Vorrang des sozialpsychologischen<br />

Ansatzes feststellen; sichtbar wird er zum Beispiel in den<br />

beiden wichtigsten empirischen Studien des Instituts für Sozialforschung:<br />

Die Studien über Autorität und Familie (1936) und Der autoritäre Charakter<br />

(1949). Der Rahmen der Analyse ist immer die objektive Ebene der ökonomischen<br />

und gesellschaftlichen Strukturen, aber die Sphäre der Psyche und der<br />

Kultur bestimmen die Ausrichtung der Gesellschaftstheorie noch maßgeblicher.<br />

Es soll nun gezeigt werden, dass sich der sozialpsychologische Ansatz<br />

15 Vgl. Dubiel 1978 (s. Anm. 2).<br />

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