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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Wirkungsmacht pejorativer Tiermetaphorik<br />

Wie ich im zweiten Abschnitt gezeigt habe, ist eine sprachliche Bildlichkeit<br />

kulturspezifisch und abhängig vom jeweiligen soziokulturellen Kontext.<br />

Lässt sich trotzdem etwas Allgemeingültiges über die Wirkmächtigkeit von<br />

pejorativen Tiermetaphern sagen?<br />

Sprachwissenschaftler_innen haben herausgearbeitet, dass sich die Potenz<br />

und Bedeutung von Metaphern in der Sprache gewandelt haben, aber<br />

sie grundsätzlich ein »surplus de sens« 42 bereitstellen können, das ihnen ermöglicht,<br />

nicht nur komplexe Gegenstände oder Zusammenhänge als leicht<br />

durchschaubar darzustellen, diese zu klassifizieren bzw. zu bewerten, sondern<br />

auch Handlungsimplikationen zu übermitteln. Eine denotierte oder<br />

konnotierte Implikation ist als Erweiterung der Verweisungsdimension zu<br />

bewerten, ihre semantischen Grenzen können neu gezogen und über eine<br />

Metaphorisierung kumuliert werden. 43 Nicht alle Analogieschlüsse sind bei<br />

der Interpretation einer Metapher zwingend, es ist der diskursive Kontext,<br />

der richtungweisend wirkt. Für pejorative Tiermetaphern, vor allem die der<br />

Moderne, gelten einige Funktionen als dominant:<br />

Identifzierung<br />

Eine Metapher kann den Charakter der eigentlichen Sprache verlieren. Dies<br />

geschieht nicht spontan, sondern wird über kontinuierliche Wiederholungen<br />

evoziert – einen »Gewöhnungsprozess«. 44 Dies ist kein ausschließlich modernes<br />

Phänomen. Bereits bei Aristoteles wurden versklavte Menschen wie<br />

Lastentiere ausgepeitscht, damit sie schneller arbeiteten. Diese Behandlung<br />

ergab sich daraus, dass ihre Funktion und ihr Wert dem eines Lastentiers<br />

entsprach. Die diskursive Zuschreibung deckte sich mit einer nicht-sprachlichen<br />

Praxis. Neben kontinuierlichen Zuschreibungen konnten auch spontane<br />

Erhebungen auf Tiermetaphern zurückgreifen. Während der Hepp-Hepp-<br />

Pogrome 1819 liefen Antisemit_innen durch die Straßen, grölten Parolen wie<br />

»Haut die Hunde zusammen, wenn sie sich wehren« und ließen diesem Bild<br />

entsprechende Taten folgen. 45 Durch Wiederholung der Zuschreibungen an<br />

die Tiere und kontinuierliche Projizierung auf Menschengruppen waren die<br />

Interpretationsvorgaben im kollektiven Bildergedächtnis allzeit abrufbar.<br />

schen mit dem Hai in dem Gedicht »Wenn Haifische Menschen wären«. Dank für diesen Tipp geht an das<br />

DoktorandInnen-Kolloquium der <strong>Rosa</strong>-<strong>Luxemburg</strong>-<strong>Stiftung</strong>.<br />

42 I. A. Richards: Speculative Instruments, London 1955, S. 153.<br />

43 Vgl. Paul Ricœur: Die Metapher und das Hauptproblem der Hermeneutik. In: Anselm Haverkamp (Hrsg.):<br />

Theorie der Metapher, Darmstadt 1996, S. 356-378, hier: S. 370.<br />

44 Nicoline Hortzitz: Die Sprache der Judenfeindschaft. In: Julius H. Schoeps; Joachim Schlör: Bilder der Judenfeindschaft.<br />

Antisemitismus – Vorurteile und Mythen, Berlin 1999, S. 19-40, hier: S. 26.<br />

45 Vgl. Brigitta Mogge: Rhetorik des Hasses. Eugen Dühring und die Genese seines antisemitischen Wortschatzes,<br />

Neuss 1977, S. 18.<br />

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