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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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geht es Marx hier ganz abstrakt um das im moralischen Bewusstsein auftretende<br />

Verhältnis von Einzelinteresse und allgemeinem, und nicht darum,<br />

wie sich die Privatinteressen unterscheiden mögen. Und zweitens spricht<br />

Marx hier nicht von einem bestimmten, sondern ganz abstrakt von dem Privatinteresse<br />

überhaupt.<br />

Marx meint demnach nicht, dass der Gegensatz von allgemeinem Interesse<br />

und Privatinteresse von einem spezifischen Privatinteresse produziert<br />

wird, sondern von jenen Individuen, die ihre Interessen als private verfolgen.<br />

Es stellt sich somit die Frage, was Marx unter dem Privatinteresse versteht.<br />

Heutzutage wird das Wort »privat« gemeinhin für jene Sphäre benutzt, in<br />

der sich die Individuen der Anschauung der Öffentlichkeit entziehen. Bei<br />

Marx hat dieses Wort jedoch eine viel grundlegendere Bedeutung als die<br />

Frage, ob der eigene Körper, die eigenen Taten etc. der öffentlichen Begutachtung<br />

ausgesetzt sind oder nicht. Marx selbst verweist im obigen Zitat in<br />

der Deutschen Ideologie auf seinen in den Deutsch-Französischen Jahrbüchern<br />

von 1844 publizierten Aufsatz »Zur Judenfrage«, in dem er das Verhältnis<br />

von Privatinteresse und Allgemeinheit auf das politökonomische Verhältnis<br />

von Privateigentümern zurückführt. 13 Der moderne Mensch führt demnach<br />

neben seinem Dasein als Staatsbürger auch noch ein »Leben in der bürgerlichen<br />

Gesellschaft, worin er als Privatmensch thätig ist, die andern Menschen<br />

als Mittel betrachtet, sich selbst zum Mittel herabwürdigt und zum Spielball<br />

fremder Mächte wird« 14 . Aufgrund ihres Daseins als Privateigentümer stünden<br />

die Menschen im Kapitalismus – der hier unter der Hegel’schen Bezeichnung<br />

»bürgerliche Gesellschaft« 15 auftritt – in einem unversöhnlichen Gegensatz<br />

miteinander. Das Privatinteresse und der Privatmensch, aus denen die<br />

Notwendigkeit einer moralischen Allgemeinheit stammt, sind demnach Eigenschaften<br />

von Privateigentümern, Individuen, die wegen ihres Rechts auf<br />

Eigentum in einem Gegensatz zueinander stehen.<br />

Marx meint also, dass aus den gegensätzlichen Interessen zwischen Privateigentümern<br />

im Bewusstsein eine Allgemeinheit als moralischer Maßstab<br />

entstehen muss. 16 Der moralische Maßstab eines allgemeinen Interesses sei<br />

somit in der Struktur kapitalistischer Verhältnisse angelegt, »und zwar existirt<br />

dies gemeinschaftliche Interesse nicht bloß in der Vorstellung, als ›Allgemeines‹,<br />

sondern zuerst in der Wirklichkeit als gegenseitige Abhängigkeit<br />

der Individuen, unter denen die Arbeit getheilt ist« 17 . Genau so sei es aber<br />

13 Vgl. Marx; Engels: Deutsche Ideologie (s. Anm. 11), S. 229.<br />

14 Karl Marx: Zur Judenfrage. In: MEGA 2, Bd. I/2, Berlin(Ost) 1982, S. 149.<br />

15 Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts (s. Anm. 12), S. 339.<br />

16 Auch Hegel leitet in seiner Rechtsphilosophie die Moralität aus dem Gegensatz von Privateigentümern her.<br />

Dieses Verhältnis von Hegel und Marx muss Gegenstand einer eigenständigen Erörterung sein.<br />

17 Karl Marx; Friedrich Engels: Feuerbach und Geschichte. Entwurf S. 1 bis 29. In: Marx-Engels-Jahrbuch 2003,<br />

Berlin 2004, S. 20. – Aus diesem Manuskript wurde später das Einleitungskapitel der »Deutschen Ideologie«<br />

konstruiert.<br />

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