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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Kleinoffset- oder Hektographierverfahren von einer mit Schreibmaschine<br />

angefertigten Matrize abgezogen. Dies erforderte wenig Aufwand, war aber<br />

auch riskant, da kriminalistisch leicht zu ermitteln. Eine andere Methode für<br />

lokales oder regionales Material nutzte Druckstöcke, die zuvor aus stark verkleinerten<br />

Klischees von abfotografierten Schreibmaschinentexten hergestellt<br />

wurden. Landesweit zu verbreitendes, zentral koordiniertes Material<br />

wurde jedoch überwiegend im Hochdruckverfahren mit Druckplatten hergestellt<br />

und meist im Ausland gesetzt und gedruckt. 15<br />

Diese verschiedenen Verfahren wurden auch für die Tarnumschläge verwendet.<br />

Einfachere Titel wurden oft nach Originalvorlagen neu gesetzt, anspruchsvollere<br />

fotografisch reproduziert. Dabei wurden für Tarntitel fast<br />

ausschließlich deutsche Originalpublikationen verwendet, die möglichst populär<br />

und weit verbreitet waren. Die Vor- und Endtexte hingegen wurden<br />

manchmal frei erfunden. 16<br />

Typische Tarnungen orientierten sich an Büchern der Verlage Reclam oder<br />

Insel und anderen Schriften im Oktavformat sowie an Werbebroschüren,<br />

Faltblättern, Stadtplänen und Gebrauchsanweisungen. Auch Zeitungen kursierten<br />

in getarnter Form. Zudem wurden Dünndruckhefte mit blankem<br />

Titel in Tüten von Brausepulver, Philateliesets, Tomatensamen, Tee- oder<br />

Shampooproben versteckt. 17<br />

Verbreitung von Tarnschriften<br />

Waren die Tarnschriften im Ausland hergestellt, so mussten sie ins Deutsche<br />

Reich hineingeschmuggelt werden. Für den Transport wurden verschiedenste<br />

Möglichkeiten genutzt. Auf dem Landweg kamen neben dem Schmuggel<br />

über die »grüne Grenze« vor allem klassische Verstecke wie Stoffballen, Koffer<br />

oder Reserveräder in Frage, aber auch unter Zügen wurden Tarnschriften<br />

befestigt. Ferner boten sich Grenzflüsse und Seehäfen an. So wurden Publikationen<br />

dem Strom mitgegeben, auch Schiffe eigneten sich als Verstecke.<br />

Zudem fanden Tarnschriften per Ballon ihren Weg ins Deutsche Reich. Einige<br />

Tarnschriften wurden gezielt per Post an bestimmte Adressat_innen<br />

verschickt. Nicht zuletzt ergaben sich im Ausland selbst Gelegenheiten,<br />

Tarnschriften »unters Volk« zu bringen. So lagen an grenznahen niederländischen<br />

Verkaufsständen oder in dänischen Gastwirtschaften Exemplare aus. 18<br />

Nicht immer gelang der Transport über die Grenze jedoch wie geplant: So<br />

lagerten beispielsweise noch Ende 1935 3 000 Exemplare der zum Pariser<br />

15 Vgl. ebd., S. 41 f.<br />

16 Vgl. ebd., S. 45 f.<br />

17 Vgl. die Beispiele bei Gittig 1996 (s. Anm. 2) und Ruppelt 2007 (s. Anm. 3).<br />

18 Vgl. Gittig 1996 (s. Anm. 2), S. 52-71; Babette Gross: Willi Münzenberg. Eine politische Biographie, Stuttgart<br />

1967, S. 9.<br />

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