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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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soziologisch um den sozialen Akteur 2 geht? Das ist richtig, widerspricht aber<br />

nicht dem eben Gesagten. Terminologisch gesehen gibt es tatsächlich kein<br />

Subjekt bei Bourdieu. Doch auch wenn er sich stattdessen auf den Akteur<br />

(acteur) bezieht, verwirft er die Subjektkategorie nicht vollständig, 3 sondern<br />

verabschiedet diese Idee in ihrer transzendentalen Bedeutung kantischer<br />

Tradition. Im Habituskonzept erscheint Subjektivität als Ergebnis gesellschaftlicher<br />

Praxis: »Der Habitus ist die sozialisierte Subjektivität.« 4<br />

Subjekt und Akteur als Effekte der Praxis<br />

Zentral für den Entstehungsprozess der sozialisierten Subjektivität – und<br />

das gilt sowohl für Foucault als auch für Bourdieu – ist die Verbindung, die<br />

Praxis und Körper miteinander eingehen. Hier liegt der Schlüssel zum Verständnis<br />

der Ähnlichkeiten: in der Vorstellung eines durch gesellschaftliche<br />

Praxis erzeugten Subjekts bzw. Akteurs – und zwar durch eine Praxis, die<br />

sich auf den Körper bezieht. Der Geist wird erst durch die Indienstnahme<br />

der somatischen Dimension erreicht. Wird Subjektivität als wesentlich praktisches<br />

Verhältnis bestimmt, so liegt hierin die Zurückweisung der Gleichsetzung<br />

von Subjektivität und Selbstbewusstsein (Descartes) sowie derjenigen<br />

von Subjektivität und Selbstbestimmung (Sartre). Der Subjektstatus ist dann<br />

primär auf Handeln und Können gegründet und weniger auf Bewusstsein. 5<br />

Ein derartiges Subjektivitätsverständnis bricht nicht nur mit den Modellen<br />

von Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung, sondern ebenso mit deterministischen<br />

Vorstellungen: Die Entstehung von Subjektivität unterhalb<br />

von Reflexionsprozessen bedeutet keinesfalls, dass Subjekt und Akteur konditionierte<br />

Entitäten wären. Das in praktischen Vollzügen generierte Gesellschaftsmitglied<br />

befindet sich sowohl bei Foucault als auch bei Bourdieu zwar<br />

fernab der Höhen luziden Selbstbewusstseins und reiner Willensfreiheit, ohne<br />

aber deshalb in die Niederungen des Determinismus hinabzufallen.<br />

Subjektivität erscheint bei Foucault als Handlungsfähigkeit, die sich in<br />

zweierlei Modi äußern kann: Einmal in der Ausführung einer Vorgabe (Foucaults<br />

Untersuchungsschwerpunkt in den siebziger Jahren) und zudem in<br />

2 Ich habe mich entschlossen, es in diesem Text bei der ausschließlich männlichen Schreibweise zu belassen<br />

und zwar aus folgendem Grund: »Akteur« ist ein feststehender soziologischer Begriff, der in meinem Text<br />

auch meist in einer sehr abstrakten Weise verwendet wird. Alle Formen, die sich bemühen, den sprachlichen<br />

Androzentrismus zu umgehen, wirken meines Erachtens extrem konstruiert und machen die entsprechenden<br />

Sätze noch mal verwirrender und umständlicher. Ich möchte hier der einfacheren Lesbarkeit den Vorzug<br />

geben, aber dennoch betonen, dass ich mir der Problematik bewusst bin.<br />

3 Wie es hingegen im als »postmodern« bezeichneten Denken vorkommt. Vgl. Rupert Guth: Moraltheologie<br />

und die (post)moderne Signatur der Gegenwart, Berlin 1999, S. 12.<br />

4 Pierre Bourdieu; Loïc J. D. Wacquant: Reflexive Anthropologie, Frankfurt am Main 1996, S. 159.<br />

5 Vgl. Christoph Menke: Zweierlei Übung. Zum Verhältnis von sozialer Disziplinierung und ästhetischer<br />

Existenz. In: Axel Honneth; Martin Saar (Hrsg.): Michel Foucault. Zwischenbilanz einer Rezeption, Frankfurt<br />

am Main 2003, S. 287.<br />

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