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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Interessen der kapitalistischen Subjekte selbst ihren Ursprung hat, anstatt<br />

etwa von der herrschenden Klasse als Untertanenbewusstsein vermittelt zu<br />

werden.<br />

Da die in Auseinandersetzung mit Hegel geplante Abhandlung über Moral,<br />

die Marx in den Ökonomisch-Philosophischen Manuskripten ankündigte, 5<br />

nicht vorliegt und wahrscheinlich nie geschrieben wurde, muss die Untersuchung<br />

des Marx’schen Moralbegriffs aus seinen verstreuten Verlautbarungen<br />

zu diesem Gegenstand rekonstruiert werden. 6<br />

Gegensätzliche Interessen als Grundlage der Moral<br />

Im Manifest der Kommunistischen Partei zitieren Marx und Engels den Einwand,<br />

die Kommunisten 7 wollten u. a. die Moral abschaffen, die zwar ihre<br />

Form verändern würde, für sich jedoch eine überhistorische Idee darstelle,<br />

die »allen gesellschaftlichen Zuständen gemeinsam« 8 sei. Marx und Engels<br />

halten dagegen, für sie sei die bisherige Beständigkeit von Bewusstseinsformen<br />

wie der Moral nicht weiter verwunderlich, seien doch alle bisherigen<br />

Gesellschaftszustände von Klassengegensätzen geprägt gewesen. Bewusstseinsformen<br />

wie Moral oder Religion würden erst »mit dem gänzlichen Verschwinden<br />

des Klassengegensatzes sich vollständig auflösen« 9 .<br />

Marx stellt Moral nach dieser Textstelle in einen notwendigen Zusammenhang<br />

mit der Existenz eines Klassengegensatzes. Wenn die Moral sich<br />

zusammen mit ihm auflöse, so muss sie für Marx ihren Grund in diesem Gegensatz<br />

haben. Wie Marx sich dieses Verhältnis denkt, wird durch die Betrachtung<br />

eines der Manuskripte klarer, die posthum zusammen mit anderen<br />

unter dem Titel Deutsche Ideologie veröffentlicht wurden. 10 Hier schreibt<br />

Marx gegen Stirners Lobpreisung des Egoismus, dass die Kommunisten<br />

überhaupt keine Moral predigten. Sie würden »weder den Egoismus gegen<br />

die Aufopferung noch die Aufopferung gegen den Egoismus geltend machen<br />

und theoretisch diesen Gegensatz weder in jener gemütlichen noch in<br />

jener überschwenglichen, ideologischen Form fassen, vielmehr seine materielle<br />

Geburtsstätte nachweisen, mit welcher er von selbst verschwindet. Die<br />

5 Siehe Karl Marx: Ökonomisch-Philosophische Manuskripte. In: MEGA 2, Bd. I/2, Berlin (Ost) 1982, S. 314.<br />

6 Der vorliegende Aufsatz geht davon aus, dass Marx’ Begriff von Moral spätestens seit 1845 relativ unverändert<br />

bleibt. Diese Prämisse ist Beweiszweck einer eigenständigen Veröffentlichung.<br />

7 Der vorliegende Aufsatz benutzt ausnahmsweise das generische Maskulinum, um die Einheitlichkeit mit<br />

den Marx’schen Zitaten zu wahren.<br />

8 Marx; Engels: Manifest (s. Anm. 3), S. 480.<br />

9 Ebd.<br />

10 Fortan werden diese Texte als »Deutsche Ideologie« bezeichnet, obgleich dieser Titel das Resultat einer politisch<br />

geleiteten Edition dieser Texte ist, die zum Zwecke der Legitimation des sowjetischen historischen Materialismus<br />

ein kohärentes und zur Veröffentlichung gedachtes Manuskript konstruiert, das es so nie gegeben<br />

hat. – Siehe u. a. Terrell Carver: The German Ideology Never Took Place. In: History of Political Thought,<br />

Nr. 31.1, 2010, S. 107-127.<br />

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