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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Am dringendsten, sagen Florida und Winnie, brauchen Kriegstraumatisierte<br />

eine halbwegs stabile Lebensgrundlage. In Ruanda – ohnehin eines der<br />

ärmsten Länder der Welt – leben über 90 Prozent der Menschen als Selbstversorger_innen<br />

von der Landwirtschaft. Sie leben von dem, was ihre oft nur<br />

Betttuch großen Felder an Essbarem für sie abwerfen. Erosion und Übernutzung<br />

haben die landwirtschaftlichen Flächen und deren Erträge reduziert.<br />

Besonders Witwen und Waisen leiden unter Armut und Unterernährung.<br />

Und auch in der Stadt gibt es nur wenige Einkommensquellen. Die Arbeitslosigkeit<br />

ist hoch, viele schlagen sich mit einfachen Gelegenheitsarbeiten<br />

durch. Die Lebensmittelpreise sind in den letzten Jahren um ein Vielfaches<br />

gestiegen, genauso wie die Preise für Baustoffe. Viele Überlebende haben bis<br />

heute kein eigenes Dach über dem Kopf. Problematisch ist auch die ungenügende<br />

Infrastruktur des Gesundheitssystems. Längst nicht alle Menschen<br />

haben Zugang zu medizinischer Versorgung, auch nicht, um ihre Kriegswunden<br />

und Narben ausheilen zu können.<br />

Den Frauen von Amizero ist vor allem ihre Armut gemeinsam. Die Organisation<br />

unterstützt Frauen darin, ihr Leben selbstständig zu gestalten,<br />

Schritte in die wirtschaftliche Unabhängigkeit zu unternehmen. Sie sichern<br />

sich ein kleines Einkommen, indem sie Haushaltsabfälle sammeln und<br />

Brennmaterial daraus herstellen. Andere bauen Gemüse an und verkaufen<br />

es. Wieder andere betreuen in dieser Zeit die Kinder. Regelmäßig lädt Amizero<br />

Frauen – aber auch Männer – zu Gesprächskreisen und Workshops ein.<br />

Schulungen über HIV/AIDS oder zur gewaltfreien Konfliktbearbeitung stehen<br />

auf dem Programm, genauso wie Diskussionen über die Rollen- und<br />

Aufgabenverteilung zwischen Frauen und Männern, die traditionelle Geschlechterrollen<br />

in Frage stellen und aufbrechen sollen.<br />

Was ursprünglich eine pragmatische Maßnahme zur Existenzsicherung<br />

war, hat sich in der Praxis auch als gemeinsame Erinnerungsarbeit erwiesen.<br />

Denn bei Amizero treffen Frauen der Täter wie der Opfer zusammen. Über<br />

das gemeinsame Tun schaffen sich diese Frauen einen Raum zur Auseinandersetzung<br />

und zu einem Dialog aus der Täter- wie aus der Opferperspektive.<br />

Die Vergangenheit zur Sprache zu bringen, das hat sich auch die ruandische<br />

Politik auf die Fahne geschrieben. Die Nachkriegsregierung unter<br />

Führung der Ruandischen Patriotischen Front (RPF) – deren Soldaten 1994 den<br />

Völkermord beendet hatten – beschwört den Bruch mit der auf ethnischen<br />

Hass gegründeten Vergangenheit und ruft den Neuanfang aus. Im Neuen<br />

Ruanda ist es erklärter politischer Wille, dass Täter und Opfer nicht vergessen,<br />

nicht schweigen, sondern miteinander sprechen. Die Regierung hat umfangreiche<br />

Programme entwickelt, die die gesellschaftliche Aufarbeitung des<br />

Genozids voranbringen, Versöhnung und nationale Einheit stiften sollen.<br />

Auch Bildungsprogrammen, Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut oder<br />

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