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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Wahlpflicht – im Durchschnitt bei 54 Prozent ein. 7 Aus den Daten der Volkszählung<br />

von 1992 wird ersichtlich, dass in den ländlichen Regionen Boliviens<br />

nur 52,8 Prozent der Männer und lediglich 37,8 Prozent der Frauen die<br />

notwendigen Papiere besaßen, die zur Wahlregistrierung berechtigten. 8<br />

Hinzu kam das Problem, dass sich gerade indigene Wähler_innen durch die<br />

traditionellen Parteien und ihre Programme häufig nicht vertreten fühlten.<br />

So ging die Wahlbeteiligung zwischen 1985 und 1997 vor allem in mehrheitlich<br />

von Indigenen bewohnten Wahlkreisen zurück: Nur rund 40 Prozent der<br />

Wahlberechtigten machten hier im Durchschnitt von ihrem Stimmrecht aktiven<br />

Gebrauch. 9<br />

Und schließlich sind auch die konkrete Ausgestaltung des Wahlrechtes als<br />

Mehrheits- oder Verhältniswahlrecht, die genaue Zuschneidung der Wahlkreise<br />

und weitere institutionelle Designs entscheidend. Diese wurden nicht<br />

von subalternen Gruppen oder in ihrem Interesse entwickelt, beeinflussen<br />

aber, wie die abgegebenen Stimmen nach der Wahl tatsächlich gezählt und<br />

gewichtet werden. 10<br />

So illustriert das Beispiel der lateinamerikanischen Re-Demokratisierungsprozesse,<br />

dass die Orientierung am Allgemeinwohl oder der Mehrheit in sozial<br />

stark polarisierten Gesellschaften für politische Mandatsträger_innen<br />

keineswegs rational oder opportun erscheint. Schließlich verfügt die Mehrheit<br />

nicht über die notwendigen Ressourcen, den Zugang und ausreichenden<br />

Einfluss, um spürbaren Druck auszuüben. Demgegenüber kann die Missachtung<br />

vitaler Interessen ökonomisch potenter Bevölkerungsgruppen schnell<br />

zur politischen Selbstentmachtung führen. Hinzu kommt, dass sich die systematische<br />

Aushöhlung demokratischer Prinzipien in Lateinamerika zur<br />

Vorbedingung eines von den Eliten gestützten Transitionsprozesses entwickelte.<br />

Ohne den Widerstand derjenigen, die im Untergrund gegen die lateinamerikanischen<br />

Militärdiktaturen kämpften, schmälern zu wollen »[…]<br />

ergab sich die (Wieder)Einführung der Demokratie in den meisten Ländern<br />

aus paktierten Zugeständnissen derer, die vorher an der Macht waren und<br />

an ihr beteiligt bleiben wollten« 11 . In der Folge wurden demokratische Aushandlungsprozesse<br />

durch technokratische Expertise und elitäre Führungszirkel<br />

ersetzt, welche die Durchsetzung des neoliberalen Paradigmas und<br />

damit zentrale polit-ökonomische Richtungsentscheidungen jeglicher Form<br />

7 Vgl. Raúl L. Madrid: The Indigenous Movement and Democracy in Bolivia, Denton 2007, S. 4 f.<br />

http://www.psci.unt.edu (http://tinyurl.com/66lzqn5; 13.09.2010).<br />

8 Vgl. Esteban Ticona; Gonzalo Rojas Ortuste; Xavier Albó (Hrsg.): Votos y Whiphalas. Campesinos y pueblos<br />

originarios en democracia, La Paz 1995, S. 184.<br />

9 Vgl. Raúl L. Madrid: The Indigenous Movement and Democracy in Bolivia, Denton 2007, S. 5 f.<br />

http://www.psci.unt.edu (http://tinyurl.com/66lzqn5; 13.09.2010).<br />

10 Vgl. hierzu u. a. Manfred Schmidt: Demokratietheorien. Eine Einführung, Opladen 2000, S. 275-281.<br />

11 Klaus Meschkat: Einleitung. In: Ingo Bultmann; Michaela Hellmann; Klaus Meschkat; Alvaro Díaz; Jorge<br />

Rojas Hernández (Hrsg.): Demokratie ohne soziale Bewegung? Gewerkschaften, Stadtteil- und Frauenbewegung<br />

in Chile und Mexiko, Unkel, Rhein, Bad Honnef 1995, S. 17 f.<br />

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